Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser
zu haben. Er scheute den Umweg ins Kloster, der umsonst sein mochte. Mehr noch aber scheute er davor zurück, auf seine früheren Mitbrüder zu treffen. Er hatte die Brücken verbrannt, die ihn mit seinem früheren Leben verbanden, und die Länder der Erinnerung dahinter so gut wie möglich dazu. Er wußte nicht, was auf diesen verbrannten Feldern gewachsen war; er fürchtete aber, daß es blanke Abneigung war.
Außer einem Grüpplein Bauern, die weit entfernt auf einer der Brachflächen die zweite Mahd des Jahres vornahmen und sich als bewegte Schatten durch das Flimmern hindurch über das Feld mühten, war Philipp allein. Dann sah er das Zucken auf dem Weg, der von der Stadt her führte; das Zucken verwandelte sich in eine undeutlich wabernde Gestalt, die an Größe, aber nicht an Deutlichkeit zunahm. Die dunkle Farbe wich nicht von der Gestalt, als sie sich näherte, ebensowenig das ruckartige Hüpfen, das halb durch die flimmernde Luft und halb durch ihren beschwingten Gang hervorgerufen wurde. Philipp setzte sich in seinem Sattel zurecht und kniff die Augen zusammen.
Als die Gestalt so nahe herangekommen war, daß sie trotzdes Gegenlichts den Reiter erkennen konnte, blieb sie stehen und legte überrascht den Kopf schief.
»Hast du dich auf dem Morgenspaziergang verlaufen, Bruder Thomas?« fragte Philipp.
»Hast du den Weg zu deinem neuen Herrn nicht gefunden, Philipp?« fragte der Kaplan zurück. Philipp grinste und stieg von seinem Pferd; Thomas kam auf ihn zu und schüttelte ihm die Hand.
»Was tust du hier?« erkundigte er sich.
»Ich bin auf dem Weg zurück zu unserem Gut.«
»Ist deine Aufgabe schon beendet?«
»Sie fängt grade erst an«, seufzte Philipp. »Wie kommst du hierher so früh am Tag?«
»Ich bin gestern morgen von Herrn Raimund aufgebrochen und habe im Dominikanerkloster in der Stadt übernachtet. Von da bin ich heute morgen aufgebrochen.«
»Was hast du so Dringendes zu erledigen? Wohin führt dich dein Weg überhaupt?«
Der Kaplan kniff die Lippen zusammen und machte ein ernstes Gesicht.
»Ich will zum Kloster von Sankt Peter; wegen des Vorfalls in dem Dorf, von dem ich erzählte, als Seine Exzellenz zu Besuch war.«
»Die Frau, die an den Pfahl gestellt wurde? Die Strafe ist doch längst vorbei und die Unglückliche wieder bei ihrer Familie.«
»Ich weiß, daß ich ihr Leid nicht verhindern konnte«, sagte der Kaplan düster. »Ich bin hier, damit so etwas nicht wieder geschieht.«
»Du willst etwas gegen den Dorfpriester unternehmen?«
»Ich will, daß ihm der rechte Weg gezeigt wird, mit dem Glauben umzugehen.«
»Da wärst du wohl besser zum Bischof gegangen«, seufzte Philipp.
Thomas schüttelte energisch den Kopf.
»Ich glaube nicht, daß der Priester die Strafe mit böser Absicht ausgesprochen hat. Ich denke vielmehr, daß er – und das bedauernswerte Weib – die Opfer seines Eifers wurden. Deshalb möchte ich nicht, daß der Bischof ihn bestraft.«
Philipp zuckte mit den Schultern. Mit halbem Interesse fragte er: »Wieso glaubst du, daß der Abt auf den Mann Einfluß nehmen kann?«
»Der Priester stammt aus diesem Kloster. Er war erst kurze Zeit hier und wurde dann in das Dorf geschickt. Wenn der Abt es zugelassen hat, daß sich ein so blindwütiger Fanatismus in diesem Bruder gebildet hat, dann liegt es auch in seiner Verantwortung, diesen Fanatismus wieder zu mildern. Außerdem darf es nicht geschehen, daß noch einmal ein Hirte über das einfache Volk eingesetzt wird, der nicht unterscheiden kann zwischen seiner Verpflichtung für die Schrift und dem Wohl seiner Herde.«
»Warum hat man nicht einen der älteren Mönche ausgewählt anstatt einen Bruder, der das Noviziat gerade beendet hat?«
»Er hat das Noviziat nicht erst seit kurzem beendet. So jung ist er nicht mehr; ich habe ihn im Dorf gesprochen. Ich meinte, daß der Abt ihm vielleicht Zeit hätte lassen sollen, sich einzugewöhnen. Der Bruder kam erst an Ostern aus dem Kloster Cluny hierher.«
»Na, dann wünsche ich dir viel Glück. Ich will dich nicht länger aufhalten; du hast noch eine ganze Strecke vor dir.«
Thomas wischte sich über die Stirn und lächelte müde.
»Bei dieser Hitze laß ich mich gern eine Weile aufhalten. Du reitest nicht zufällig zum Kloster?« »Warum sollte ich?«
»Du hättest mir Gesellschaft leisten können. Und mir nebenbei einen Platz auf dem Hintern deines Pferdes anbieten.«
»Damit du halbnackt im Kloster ankommst, so wie auf dem Hof? Schäm dich, Bruder
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