Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser

Titel: Der Jahrtausendkaiser: Der Jahrtausendkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
Vom Netzwerk:
aller rothaarigen Menschen, doch ihr Haar war nicht von der rostroten Farbe, wie man sie gewöhnlich findet, sondern von einem tiefen, leuchtenden Herbstrot. Es glänzte in all seiner Üppigkeit und verriet, daß es sorgfaltig mit Öl gepflegt wurde. Sie trug es kurz, kürzer als Philipp es zu sehen gewöhnt war. Auf den zweiten Blick konnte man erkennen, daß sie es selbst abgeschnitten hatte: Es drängte hinter dem Schleier, mit dem sie eine einfache helle Kappe unter ihrem Kinn festgebunden hatte, in zwei reichen Wellen hervor und endete abrupt noch oberhalb ihrer Schultern, und wo es endete, machte es den Eindruck, daß sie es einfach gepackt und alles mit einem scharfen Messer abgetrennt hatte. Das kurze Haar tat ihrem Gesicht keinen Abbruch; tatsächlich hob es die scharf geschnittenen Brauen, die hohen Wangenknochen und die gerade Nase hervor. Sie hatte keine Farbe auf ihr Gesicht gelegt, aber ihre Augen leuchteten hell zwischen dichten, dunklen Wimpern hervor, und daß ihre Lippen blaß waren, ließ ihre Züge um so feiner erscheinen. Sie hatte energische Kiefer und ein festes Kinn, und was unter einem bequemen, leinenweißen Reisekleid von ihrer Gestalt zu sehen war, schien das Versprechen zu erfüllen, das ihr Antlitz gab. Philipp schluckte. Er hatte die Frau noch nie gesehen. Ihm fiel auf, daß sie allein in den Saal des Wohnhauses gekommen war, ohne eine Dienerin oder wenigstens eine Begleiterin.
    »Dies ist Aude Cantat«, sagte Philipps Herr und stellte danach ihn vor. »Der Mann, auf den Ihr gewartet habt, meine Liebe.«
    Sie verbeugte sich leicht und sagte mit einem deutlichenfränkischen Akzent: »Es ist ein Vergnügen, Euch kennenzulernen, Meister Philipp.«
    Philipp neigte den Kopf und musterte sie erneut, nachdem seine Überraschung abgeklungen war. Er sagte nichts.
    Aude wartete ein paar Momente auf eine Antwort, dann fuhr sie fort: »Mir ist mitgeteilt worden, daß Ihr meinen Gatten kennengelernt habt. Ich möchte fragen, ob Ihr wißt, wo er sich aufhält.«
    Sie wählte ihre Worte langsam und schien bemüht, sie richtig aus der komplizierten Satzstellung der fränkischen Sprache zu übertragen.
    »Es tut mir leid«, sagte Philipp. »Ich habe meinem Herrn bereits mitgeteilt, daß ich Euren Gatten nicht kenne.«
    Sie schüttelte verwundert den Kopf.
    »Ich habe gefragt in einer Herberge in der Stadt. Der Mann ... der Wirt sagte mir, ihr hättet Euch mit ihm unterhalten.«
    »Ich habe mich mit ein paar englischen Kaufleuten unterhalten«, erklärte Philipp. »Ich dachte nicht, daß einer davon Euer Gemahl gewesen sein könnte.«
    »Mein Mann ist kein Händler. Er ist ein ... ein Freimann?« Philipp schüttelte den Kopf, »Ihr meint: ein Gefolgsmann?«
    »Nein; ich meine damit: Er ist sein eigener Herr.« Sie blickte zu Philipps Herrn. »So wie Ihr. Nur, daß unser Besitz kleiner ist. Viel kleiner. Wir haben nur wenige Bedienstete.« Sie sah wieder Philipp an. »Er handelt nicht mit Waren.«
    »Die einzigen Menschen, mit denen ich mich sonst noch im ›Kaiserelefanten‹ unterhalten habe, waren die Händler, die mich ein Stück des Weges mitnahmen, und«, Philipps Gesicht verschloß sich, »der verdammte Sänger. Der Wirt muß sich getäuscht haben.«
    »Er sagte, Ihr wart die längste Zeit des Abends mit meinem Gemahl zusammengesessen.«
    Philipp warf die Arme in die Luft und sagte ärgerlich: »Ich habe Euch doch erklärt, daß er sich täuschen muß. Der einzige, bei dem ich längere Zeit gesessen bin ...« Er brach ab und fixierte Aude von neuem. Seine Brauen zogen sich zusammen. »Beschreibt mir bitte Euren Gemahl.«
    »Er ist groß, größer als Ihr und bestimmt etliche Jahre älter. Sein Haar ist dunkel. Er ist...«, sie suchte nach dem Wort: »... dünn. Als würde er zuwenig essen.«
    Fassungslos sagte Philipp: »Das ist Minstrel.«
    »Der Name meines Mannes ist Geoffroi.«
    »Zu mir hat er ...« Philipp unterbrach sich, als er spürte, wie der Zorn auf den Sänger erneut in ihm hochstieg. Nun gut, scheinbar war er gar kein Sänger, und offenbar war sein Name auch nicht Minstrel gewesen (was Philipp gleich hätte klarwerden sollen, denn es bedeutete nichts anderes als eben das: Sänger). Was blieb, war seine betrügerische Natur. Hier steht seine Frau; laß dir sofort den Schaden ersetzen, der deinem Herrn entstanden ist , dachte er. Aber er hielt sich zurück und sagte nichts. Es war eine Sache, einem diebischen Trunkenbold aufzusitzen; den Verlust von seiner Frau einzufordern, die über

Weitere Kostenlose Bücher