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Der Jakobsweg - El camino.

Der Jakobsweg - El camino.

Titel: Der Jakobsweg - El camino. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Schmidt
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Etappe war unspektakulär, aber es war einfach sehr schön, den Tag, die Etappe und die Nacht neben ihr verbringen zu dürfen. Wir trafen unterwegs Patrick, der schon am Morgen gegen 2:00 Uhr gestartet war, da er nicht mehr schlafen konnte. Seine Etappe würde an diesem Tag knapp 60 Kilometer lang werden. Wenn's geht, dann geht’s!
    Louise und ich harmonierten sofort perfekt. Wir redeten über unseren bisherigen Camino und auch über teilweise sehr private Sachen. Ich hatte schnell den Eindruck, dass ich mich mit ihr gut unterhalten konnte. Wenn wir auf ein intimes Thema stießen, boten wir dem anderen an, auch ein intimes Geheimnis zu erzählen und dann konnte derjenige entscheiden, ob er jetzt sein Geheimnis preisgibt. Wenn wir unsere Ruhe haben wollten, sollte der eine schneller oder langsamer gehen. Irgendwann würden wir uns wiedersehen. Der Camino geht ja schließlich nur in eine Richtung. Das kam aber am heutigen Tag noch nicht vor, erst auf den folgenden Etappen.
    Unterwegs trafen wir auch Marius, einen Deutschen, den Louise bereits kannte. Er war etwas alternativer und hatte sehr viel Ausrüstung dabei, da er häufig wild campte. Eigentlich war Marius ganz nett, nur hier und da doch etwas verrückt. Ein Beispiel dafür ist, dass er mit seinem 15-Kilogramm-Rucksack und in Sandalen Hügel hinab rannte, um den Schwung mitzunehmen. So kam es, dass ich mit Louise noch auf dem Gipfel stand und er bereits unten war. Als wir das das erste Mal sahen, konnten wir uns vor Lachen kaum halten.
    Gegen Ende unserer Etappe schmerzten meine Füße sehr stark. Dieses Gefühl hatte ich nach den letzten beiden Tagen, in denen ich 80 Kilometer gelaufen war, fast vergessen. Wir – besser gesagt ich – versuchten einfach nur noch in Hospital de Orbigo anzukommen.
    In diesem Ort steht die längste Brücke des Caminos (200 Meter). Allerdings fließt unter ihr nicht komplett Wasser, sondern nur in einem sehr kleinen Bereich. Louise wollte unbedingt auf der Brücke balancieren. Davon konnte ich sie abhalten, aber sie ließ sich nicht bremsen, auf einer kleinen Mauer an einem kleinen Kanal zu balancieren. In Hospital gab es auch einen Spielplatz, wo wir erstmal schaukelten und wippten. Es war herrlich! Wie hatte ich schon nicht mehr auf einer Schaukel gesessen?!
    Wir checkten in einer Herberge ein, die als Besonderheit eine Staffelei an der Treppe stehen hatte, die jeder Pilger benutzen konnte. An einer großen Wand hingen Dutzende Bilder von Pilgern. Jedes einzelne war ein Kunstwerk und sie sahen teilweise richtig schön aus. Aber das hängt immer vom Betrachter ab.
    Auch Matteo schlief in der Herberge. Wir trafen ihn allerdings nur zu einem kurzen Plausch. Im gleichen Raum von uns schliefen auch die zwei Franzosen aus Calzadilla de la Cueza und Frómista. In dieser Albergue hatten Louise und ich jeweils die oberen Betten von zwei nebeneinander stehenden Hochbetten. Natürlich schafft so etwas die Möglichkeit, sich näher zu kommen. Nachdem sie ein wenig Paolo Coelho gelesen hatte, gingen wir in einem Restaurant eine Kleinigkeit essen. Das Essen war alles andere als sättigend. Das Fleisch war zäh wie Leder und da wir in die Küche von unserem Tisch aus hinein schauen konnten und sahen, wie das Essen in der Mikrowelle und mit bloßen Händen zubereitet wurde, verflog der Appetit ganz schnell.
    Am Abend las Louise noch ein wenig und ich schaute mir die Tour des nächsten Tages an. Später küssten wir uns das erste Mal.

18. September – Rabanal del Camino

    Heute wanderte ich mit Louise bis nach Rabanal del Camino, kurz vor dem Cruz de Ferro. Dank ihr rauchte ich heute sehr wenig. In Rabanal del Camino checkten wir in einer süßen Herberge ein. An dem Tag wehte ein heftiger Wind und es war selbst in der direkten Sonne sehr kalt. Dass es jetzt immer höher ging, war deutlich zu spüren. Dazu kam, dass die Duschen zunächst bitterkalt waren, da die Herbergsmutter die Heizung noch nicht eingeschaltet hatte. Wir standen beide unter den zwei Duschen und warteten und warteten, aber das Wasser wurde nicht wärmer. Als ich fertig war, klopfte die Herbergsmutter an die Tür und sagte, dass es jetzt warm sei. Dieses warme Wasser konnte Louise noch genießen. Ich kam bibbernd aus der Dusche und die Herbergsmutter gab mir eine heiße Schokolade als Entschädigung aus, die ich allerdings nach der Hälfte Louise gab, die sich sehr darüber freute. Die anderen Pilger wollten zunächst nicht mehr duschen, nachdem sie mich gesehen

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