Der Jakobsweg - El camino.
Herberge. Ich ging hinein und fragte, ob Louise hier abgestiegen sei. Die Herberge allerdings war komplett. Ein älterer Italiener, den Louise und ich kannten, saß dort und schüttelte mit dem Kopf. Er wusste anscheinend sehr genau, wen ich suchte. Etwas traurig ging ich weiter in Richtung der nächsten Herberge. Vielleicht hatte Louise ja genauso gedacht und versuchte jetzt, noch einen Schlafplatz zu bekommen. Dass sie viel laufen konnte, wusste ich. Wenige Kilometer nach dem Berg tauchten auf einem steilen Hang zwei, drei Häuser an einer Landstraße auf. Hier traf ich Matteo und weitere Italiener, die mich fragten, wo Louise sei und ob ich nicht mit ihnen dort übernachten wolle. Mir gefiel es dort aber nicht. Ich hatte mir vorgenommen, heute 50 Kilometer nach Triacastela zu laufen. Das war aber eher eine übermütige Einschätzung, die mich aber vielleicht ermutigte, weiterzugehen.
Der nächste Ort war Fonfría. Zu diesem Zeitpunkt war ich 42,5 Kilometer an diesem Tag unterwegs gewesen und mir taten die Füße langsam beachtlich weh. Ich entschied mich, hier zu bleiben und Louise über das Internet oder per Telefon zu kontaktieren. Wir waren lediglich bei Facebook befreundet, hatten aber keine Telefonnummern voneinander. Sie schaute ab und zu in ihre Facebook-Nachrichten. Deshalb wollte ich ihr dort eine Nachricht schreiben. Aber genau an dem Tag funktionierte das Internet in der Herberge nicht. Die einzige Möglichkeit, die ich noch hatte, war, in der Herberge zu fragen, ob ich mal in O Cebreiro anrufen könne, ob Louise dort vielleicht in der kommunalen Herberge gelandet sei.
Louise ließ mich nicht mehr los. Die anderen Pilger hatte ich gefragt, ob sie meine „Freundin“ gesehen hatten, denn wie blöd hätte es sich angehört, wenn ich nach einer Bekannten gefragt hätte, so bedrückt, wie ich am Tisch saß. Ich musste sie unbedingt wiedersehen und wenn ich mich am nächsten Tag in Triacastela in ein Café setzen und den ganzen Tag warten würde.
Ich saß gerade mit drei Australierinnen und einem Schweizer beim Abendessen. Es war ein großer Raum, der etwa 40 Leuten Platz bot. Wir aßen Nudeln mit Fleisch und Tomatensoße und abschließend einen Camino-Mandelkuchen. Sehr lecker.
Als ich mich gerade entschuldigen wollte, um telefonieren zu gehen, schaute ich aus dem Fenster und staunte nicht schlecht, als Louise auf einmal draußen saß und am lesen und schreiben war. Wir umarmten und küssten uns lange. Wir erzählten uns, wie wir den heutigen Tag ab unserer Trennung verbracht hatten und wie es dazu gekommen war, dass wir uns wiedersehen konnten. In Fonfría waren wir beide mit unseren Füßen ziemlich erschöpft, aber alle Bedenken, Gedanken und Sorgen lösten sich mit einem Schlag auf. Die Schmerzen hatten wir in diesen Momenten schnell vergessen. Wir schliefen zwar nicht im gleichen Raum, aber dennoch war ich an dem Abend total glücklich, dass ich sie wieder bei mir hatte.
Dass Gott kein Wunschkonzert ist, ist klar, aber solche Kleinigkeiten sind anscheinend doch seins. Ich bat ihn heute darum, dass ich Louise heute noch wiedersehen dürfte oder er mir ein Zeichen gebe, ob sie vor oder hinter mir sei.
22. September 2011– Sarria
Heute wanderten Louise und ich nach Sarria. Die Landschaft war wunderschön. Ein Traum, dort durchzulaufen. Überall war es sehr grün, der Herbst hatte hier noch nicht begonnen. Jedoch war der Weg mittlerweile frequentierter als er das noch vor ein paar Tagen war, denn wir befanden uns in der 150 Kilometer-Zone, die Radfahrern ausreicht, um die Compostela zu erhalten. Nach knapp 30 Kilometern kamen wir an. Es bleiben noch knapp 110 Kilometer bis nach Santiago de Compostela. Wir nahmen uns in Sarria wieder ein Doppelzimmer für 15 Euro p.P.. Nach ein paar Hamburgesas am Abend gingen wir schlafen. Der Tag hatte uns ziemlich ermüdet. Vor allem mussten wir in Sarria erst eine sehr steile und hohe Treppe überwinden, um auf der anderen Seite des Ortes wieder herunter zu gehen. Mittags sprachen wir noch mit zwei Belgiern aus Lüttich, die wir bereits am Vortag in Fonfría kennengelernt hatten – seltsame Typen. Sie meinten, uns etwas beibringen zu können, dass man sich dehnen müsse, bevor man losgeht, dass man so und so laufen müsste usw. Dabei waren sie erst seit knapp 100 Kilometer unterwegs. Später gesellten sich auch Matteo und die anderen Italiener dazu. Schließlich schenkte ich Louise noch ein Armband mit mehreren Jakobsmuscheln, worüber sie sich sehr
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