Der Jakobsweg - El camino.
Obst und eine Flasche Wasser bekommen hatten. Über einen halben Liter Wasser hätte ich mich auch gefreut. Aber hier griff auch wieder das Prinzip bzw. meine Einstellung für den Weg „Es kann immer jemanden geben, dem es noch schlechter geht als mir“. Kurz vor Ankunft traf ich auf die zwei französischen Zimmerkollegen aus Frómista. Als ich dann den Kirchturm von Calzadilla sah, blieb ich kurz stehen und atmete tief durch. Einer der Franzosen fragte mich, ob ich einen Krampf hätte, denn kurz zuvor hatte ich sie überholt, weil ich das Tempo verschärft hatte, um so schnell wie möglich aus dieser Hitze rauszukommen. Ich konnte verneinen.
In der Albergue gab es einen Swimming-Pool, allerdings schwamm dort eine tote Maus drin, als ich ankam und so verzichtete ich auf ein Bad darin.
Am Abend aß ich erneut ein Pilgermenü für 10 Euro, was einwandfrei sättigend war. Zuvor spaßte ich noch mit zwei NRWlerinnen rum und wir lachten darüber, wie man sich in den einzelnen Bundesländern beschimpfe. Wir lernten teilweise neue Wörter kennen, die wir noch nie gehört oder die bei dem jeweils anderen einen anderen Sinn hatten. Ich möchte sie hier allerdings nicht aufzählen.
Jetzt war etwa die Hälfte des Jakobswegs erreicht.
Es warteten noch viele Begegnungen und Ereignisse auf mich, auf die ich mich sehr freute. Bis jetzt hatte ich mehr erlebt, als ich es mir hätte träumen lassen.
15. September 2011 – El Burgo Ranero
Heute lief ich 40 Kilometer! Gigantisch! Die Verletzung am Fuß war wie weggeblasen und war auch am Abend nicht zu spüren. 53 Kilometer hatte ich mir auch zugetraut. Ich wollte allerdings mein Glück nicht überstrapazieren. Letztendlich hat mich allerdings dazu bewegt, dass zwischen El Burgo Ranero und der nächsten Ortschaft kein Café oder eine Herberge oder Sonstiges kam. Ich hätte also diese Strecke durchlaufen müssen – komme, was wolle. Ich dankte Gott daher, dass er mich bis El Burgo Ranero durchhalten ließ – eine erneute Begegnung mit dem Allmächtigen. Am nächsten Tag könnte ich mir durch eine Ankunft in León nach fünf statt nach sechs Tagen (ab Burgos) mehr Zeit verschaffen. Das wären 180 Kilometer durch die nicht sehenswerte, aber zum Nachdenken anregende Meseta.
Bemerkenswert waren heute mehrere Dinge: zum Einen mein Fuß, der erneut wenig schmerzte und zum Anderen standen auf einer Landstraße, auf der vielleicht zehn Autos in der Stunde fuhren zwei Arbeiter, die den Verkehr an einer Baustellenein- und -ausfahrt regelten, wenn ein LKW hinein oder heraus wollte. In Deutschland undenkbar! Und letztens: Spanien investierte in den Jakobsweg! Es wurden Bäume für mehr Schatten entlang des Weges gepflanzt und dieser auch von größeren Steinen befreit.
In El Burgo Ranero schlief ich in einer Donativo-Albergue, wo zwei ältere Deutsche freiwillig die Pilger betreuten und empfingen. Diese Albergue befand sich in einem Lehmhaus. Wir würden in Deutschland Scheune sagen, aber die Wände waren verputzt. Von außen Scheune, innen Wohnhaus.
Am Abend trank ich ein Bier mit Berit und Han. Die beiden waren überzeugte Vegetarier, aber hier und da etwas komisch. Sie waren etwa in meinem Alter und verärgert, als ich fragte, ob sie Fisch äßen. Wieso ich dächte, dass alle Vegetarier Fisch essen würden, fragten sie. Sie gaben sich selbst die Antwort: Sie würden nur das Hühnchen vom Nachbar essen. Dieser habe schließlich eine riesige Wiese und die Tiere seien sehr glücklich. Da wüssten sie, was sie auf dem Teller hätten.
Die Nacht dort war sehr heiß. Meine Mitbewohner und ich konnten kaum schlafen und versuchten etwas Wind ins Zimmer zu bekommen, aber an Schlafen war kaum zu denken. Und dann ließen andere Pilger ständig das Licht im Flur an, wohin wir die Tür offen hatten, um Winddurchzug zu erzeugen.
Eine letzte schöne Situation des Tages: Nach meinem selbst gekochten Essen (Nudeln, Speck, Ei, Käse und Zwiebeln) setzte ich mich auf eine Bank vor der Albergue und schaute in den Sonnenuntergang. Ein paar warme Sonnenstrahlen fielen noch auf meine Haut. Ich trank ein San Miguel und rauchte eine Zigarette. Da kam ein sehr alter Spanier von hinten an mein Ohr und sagte mir, soweit ich das verstand: „Weißt du, mit Kippen bekommst du keine Chicas ins Bett!“ Daraufhin klopfte er mir auf die Schulter, ging in ein Haus und ließ mich grinsend zurück.
Und dann: die Schmetterlingsblume von Sahagún (diese Idee ist entstanden, als ich nicht hundertprozentig Herr
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