Der Janson-Befehl
Fläche am Ende eines Zweiges war nicht eine mit Baumwachs geheilte Wunde, sondern die Laufmündung. Fünfhundert Meter von ihm entfernt spähte ein Mann durch eine Optik, genau wie er, mit dem festen Entschluss, ihn vom Leben zum Tod zu befördern.
Dich hole ich mir, dachte Janson bei sich. Du wirst mich nicht sehen, wenn ich dort auftauche, aber ich werde kommen.
Ein Fußballteam war zu den Spielplätzen unterwegs, und er mischte sich hastig unter sie, wusste, dass es schwer fallen würde, ihn aus der Ferne zwischen all den hochgewachsenen, athletisch gebauten Männern herauszupicken.
Der See verengte sich zu einem Bach, und als die Männer die Holzbrücke überquerten, ließ er sich hinter ihnen ins Wasser gleiten. Hatten die Scharfschützen ihn gesehen? Die Wahrscheinlichkeit war groß, dass das nicht der Fall war. Er presste alle Luft aus seiner Lunge und schwamm durch das trübe, aufgewühlte Wasser, blieb dicht am Grund. Wenn sein Ablenkungsmanöver Erfolg hatte, würden die Zielfernrohre der Scharfschützen immer noch auf die Sportler gerichtet sein. Starke Teleskope hatten notwendigerweise einen engen Sichtwinkel; es würde unmöglich sein, den Rest des Terrains im Auge zu behalten und gleichzeitig den Sportlern zu folgen. Aber wie lange würde es dauern, bis ihnen klar wurde, dass er nicht dabei war?
Jetzt hatte er das südliche Ufer erreicht, zog sich an der Betonwand empor und rannte zu einer Gruppe von Buchen. Wenn er ihnen entwischt war, dann bestimmt nur auf kurze Zeit - der geringste Fehler konnte sein Verderben sein. Er befand sich jetzt in dem am dichtesten bewaldeten Teil des Regent's Park, und das erinnerte ihn an Trainingsübungen an den Hängen außerhalb von Thon Doc Kinh.
Er hatte die Baumformation aus der Ferne studiert und den höchsten Baum ausgemacht. Jetzt musste er eine Distanzkarte, die vor seinem inneren Auge entstanden war, in einen Terrainplan umwandeln.
Es war die Stunde, in der der Park sich zu leeren begann. Das hatte Vor- und Nachteile, und doch musste alles zu seinem Vorteil ausgenutzt werden: Eine andere Wahl hatte er nicht. Vom Willen gesteuerter Optimismus war angesagt. Wenn er jetzt nüchtern seine Chancen abwägte, konnte das leicht zu Hoffnungslosigkeit, ja zu Lähmung führen - und das düstere Ergebnis noch wahrscheinlicher machen.
Er rannte auf einen Baum zu, wartete, rannte weiter zum nächsten. In der Magengrube prickelte es. War er leise genug gewesen? Unauffällig genug?
Wenn sein Instinkt ihn nicht trog, befand er sich unmittelbar unter dem Baum, auf dem wenigstens einer der Scharfschützen Position bezogen hatte.
Die Kunst des Scharfschützen bestand in höchster Konzentration. Gleichzeitig erforderte derartige Konzentration die völlige Ausschaltung von Umweltreizen, das wusste er aus eigener Erfahrung. Tunnelblick war nicht nur etwas, was mit dem engen Gesichtsfeld eines Teleskops zu tun hatte, sondern auch mit der Intensität geistiger Konzentration. Und diese Art von Tunnelblick musste er jetzt nutzen.
Das Fußballteam hatte die Brücke überquert und war anschließend an einem Ziegelbau, dem Regent's College, einer Institution der Baptisten, vorbeigetrabt. Wenn er einer der Scharfschützen gewesen wäre, würde das Argwohn erwecken, besonders wenn die Athleten weiter auseinander rückten und er feststellte, dass seine Zielperson sich nicht mehr unter ihnen befand. Sie würden die Möglichkeit ins Auge fassen müssen, dass er irgendwie in dem Ziegelbau Zuflucht gefunden hatte. Das war keine besonders beunruhigende Möglichkeit: Sie konnten ja abwarten.
Die Scharfschützen würden jeden Quadratmeter des Parks vor ihren Augen intensiv absuchen. Aber die eigenen Füße bezog man nicht in diese Suche mit ein. Und darüber hinaus würden die Scharfschützen über Funkgeräte verfügen, um mit ihrem Koordinator in Verbindung zu bleiben. Aber diese Geräte würden auch die Wahrnehmung von Umweltgeräuschen beeinträchtigen. Es gab also auch Elemente, die Janson begünstigten.
Er zog sich, so leise ihm das möglich war, am Stamm hinauf, kam dabei langsam, aber stetig voran. Als er eine Höhe von drei Metern erreicht hatte, verblüffte ihn das, was er zu sehen bekam. Nicht nur das Gewehr des Scharfschützen war geradezu brillant getarnt, sondern die ganze Anordnung von Zweigen und Ästen, auf denen der Schütze sich niedergelassen hatte, war Staffage. Es wirkte zugegebenermaßen unglaublich wirklichkeitsnah - das Werk einer auf Bäume spezialisierten Madame
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