Der Janson-Befehl
zwanzig Minuten unschädlich gemacht.«
»Verdammt noch mal, mit wem haben Sie geredet?«, sagte Janson verblüfft. Derartige operative Einzelheiten waren nicht allgemein bekannt, selbst innerhalb der Organisation nicht.
»Oh, Sie würden sich wundern, was ich alles über Sie weiß«, sagte sie.
Er setzte sich in Bewegung, zerrte sie mit. Ihre Schritte waren laut, absichtlich. »Lautlos«, sagte er. »Sonst könnte ich auf die Idee kommen, Sie wollen Schwierigkeiten machen.«
Ihre Schritte wurden sofort vorsichtig, vermieden Blätter und Zweige; sie hatte in ihrer Ausbildung gelernt, sich lautlos zu bewegen; jedes Mitglied ihres Teams würde diese Ausbildung absolviert haben.
Als sie sich dem Außenbereich des Regent's Park näherten, drangen Verkehrsgeräusche und der Geruch von Auspuffgasen zu ihnen herüber. Sie befanden sich im Herzen von London, einer Grünfläche, die man vor beinahe zweihundert Jahren eingerichtet und seitdem liebevoll gehegt und gepflegt hatte. Würde am Ende Blut den sorgfältig gestutzten Rasen tränken?
Sie waren jetzt kurz vor dem Betonbunker, und Janson hielt sich den Finger an die Lippen. »Keinen Laut«, sagte er. Die Beretta hing locker in seiner Hand.
Er bückte sich und bedeutete ihr mit einer Handbewegung, das Gleiche zu tun. Er konnte jetzt oben auf dem niedrigen Bau den Scharfschützen sehen. Der Mann lag flach auf dem Bauch und stützte den Lauf seiner Waffe mit der linken Hand. Ein Scharfschütze legt den Lauf seiner Waffe niemals auf Stein, das erzeugt einen Rückschlag und beeinträchtigt den Schuss. Er war ein Bild völliger Konzentration, spähte durch das Zielfernrohr, benutzte den linken Ellbogen als Drehpunkt und ließ sein Sichtfeld leicht wandern. Seine Schultern waren gerade, der Kolben der Waffe dicht an seiner Schulter. Die Waffe selbst ruhte in dem V, das sein linker Daumen und Zeigefinger bildeten, und auf der Handfläche. Perfekte Position.
»Victor!«, rief die Frau plötzlich.
Der Schütze zuckte zusammen, seine Waffe fuhr herum, und ein ungezielter Schuss löste sich. Janson sprang zur Seite, riss die Frau mit. Dann sprang er mit einem mächtigen Satz auf den Bunker, packte die Waffe mit einer blitzartigen Bewegung am Lauf und entriss sie dem Scharfschützen. Als der nach der Pistole an seinem Gürtel griff, schwang Janson den Karabiner mit dem Zielfernrohr wie eine Keule und schmetterte ihn dem Mann gegen den Kopf. Er sackte nach vorn, lag wieder flach wie vorher, jetzt aber besinnungslos. Janson sprang von dem Bunkerdach wieder herunter.
Die Frau warf sich mit all ihrer aufgestauten Kraft auf Jansons Hand mit der Waffe. Sie wollte die Beretta - die Waffe würde das Gleichgewicht der Kräfte völlig verändern. Im letzten Sekundenbruchteil wich Janson ihren ausgestreckten Armen aus. Sie bekam seine nasse Jacke zu fassen und stieß ihm das Knie zwischen die Beine. Als er die Hüfte zur Seite riss, krachte ihre Handkante auf sein Gelenk herunter und die Beretta flog im weiten Bogen davon.
Beide traten ein paar Schritte zurück.
Die Frau nahm die klassische Kampfstellung ein: den linken Arm im rechten Winkel zum Körper ausgestreckt, eine Barriere gegen einen plötzlichen Angriff. Ein Messer, das ihren Arm traf, würde nur die Haut verwunden und vom Knochen abgleiten: Die wichtigen Muskeln, Arterien und Sehnen auf der Innenseite waren vor einem Angriff geschützt. Ihr rechter Arm war nach unten gestreckt, und sie hielt ein kleines Messer in der Hand; es war in einer Stiefelscheide versteckt gewesen, und er hatte nicht einmal gesehen, wie sie es zog. Sie war gut, und sie war schneller und wendiger als er.
Wenn er sich nach vorne warf, das ließ ihre Haltung klar erkennen, würde sie ihm mit dem Messer den Arm aufschlitzen: ein effektiver Konter. Genau, wie es im Handbuch stand.
Sie war gut ausgebildet, und seltsamerweise beruhigte ihn das. Er ließ die Choreographie der nächsten zehn Sekunden vor seinem inneren Auge ablaufen, bereitete die Gegenreaktion auf das vor, was sie vermutlich tun würde. Die Tatsache, dass sie gut ausgebildet war, war ihre Schwäche. Er wusste, was sie tun würde, weil er wusste, was man ihr beigebracht hatte. Er hatte genügend Leute genau diese Manöver gelehrt. Aber nach fünfundzwanzig Jahren im Einsatz verfügte er über ein wesentlich umfangreicheres Repertoire an Bewegungen, Erfahrungen und Reflexen. Und das würde jetzt sein Vorteil sein.
»Mein Papa hat mir gesagt: >Nimm nie ein Messer mit, wenn du mit der Kanone
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