Der Janson-Befehl
haben, wirklich ins Bild passt.«
Einen Augenblick lang sagte sie nichts. »Ich brauche etwas Handfestes«, sagte sie. »Wenn Sie nicht getan haben, was die behaupten, dann brauche ich etwas, was mir beweist, dass Sie die Wahrheit sagen. Mir ist schon klar, dass ich nichts habe, womit ich Sie unter Druck setzen kann. Ich will's bloß wissen.«
Zum ersten Mal sprach sie jetzt weder feindselig noch zynisch. War da etwas in seiner Stimme gewesen, das sie nachdenklich gemacht, Zweifel in ihr hatte aufkommen lassen, ob er wirklich der Schurke war, als den man ihn ihr geschildert hatte?
Er atmete tief ein, und sein Brustkorb dehnte sich über dem ihren aus: wieder eine eigenartige, ungewollte Intimität. Er spürte, wie sich ihre Muskeln unter ihm entspannten.
»Okay«, sagte sie. »Steigen Sie runter. Ich werde nicht wegrennen - ich weiß, dass Sie schneller bei der Knarre wären. Ich werde bloß zuhören.«
Er vergewisserte sich, dass ihr ganzer Körper schlaff und entspannt war, und wälzte sich dann - eine lebenswichtige Entscheidung, ein Augenblick des Vertrauens mitten im tödlichen Kampf - mit einer schnellen Bewegung von ihr herunter. Er hatte dabei ein Ziel vor Augen: die Beretta, die jetzt unter einer Esche ganz in der Nähe lag. Er schnappte sie sich und stopfte sie vorn in seinen Hosenbund.
Unsicher und etwas benommen wirkend stand die Frau auf. Dann grinste sie. »Ist das eine Kanone, die Sie in der Tasche haben, oder.«
»Das ist eine Kanone«, sagte er und schnitt ihr das Wort ab. »Ich will Ihnen mal was sagen. Ich war mal so wie Sie. War selbst eine Waffe. Etwas, mit dem ein anderer zielte und feuerte. Ich dachte, ich hätte meinen eigenen Verstand, würde meine eigenen Entscheidungen treffen. Doch in Wahrheit - war ich eine Waffe in der Hand eines anderen.«
»Für mich ist das bloß Wortgeklingel«, sagte sie. »Ich will Einzelheiten hören, keine Allgemeinplätze.«
»Schön.«
Er atmete tief, förderte eine uralte Erinnerung zutage. »Ein Penetrationseinsatz in Stockholm.«
Er sah den Mann jetzt deutlich vor sich. Grobe, wulstige Züge, ein schlaff gewordener Stubenhockertyp. Und Angst hatte er, schreckliche Angst. Die dunklen Tränensäcke unter seinen Augen verrieten Erschöpfung und Schlaflosigkeit. In Jansons Zielfernrohr bildeten die Züge eine Totenmaske der Angst; das Zielobjekt gab mit den Lippen leise schmatzende Laute von sich, ein absurdes Schnalzen. Warum die Angst, wenn das ein typischer Kontakt war? Er hatte schon oft solche Kontakte gesehen, Männer, die ihren Geschäften nachgingen, etwas in einem toten Briefkasten deponierten. Es zum zwanzigsten oder dreißigsten Mal im Jahr taten, gelangweilt und mit ausdrucksloser Miene. Das Gesicht dieses Mannes war anders - es war voll Angst und Abscheu vor der eigenen Person. Und als der Schwede sich dem anderen Mann zuwandte, dem mutmaßlichen russischen Kontaktmann, zeigte sein Gesicht nicht Habgier oder Dankbarkeit, sondern Ekel.
»Stockholm«, sagte sie. »Mai 1983. Sie haben gesehen, wie die Zielperson mit ihrem KGB-Führungsoffizier Kontakt herstellte, und haben ihn erledigt. Für einen Nicht-Spezialisten war es ein ziemlich sauberer Schuss: vom Dach eines Wohngebäudes auf eine zwei Straßen entfernte Parkbank.«
»Halten Sie das Band an«, sagte er. Ihr Wissen um diese Dinge war beängstigend. »Sie haben es so beschrieben, wie ich es in meinem Bericht getan habe. Und doch, wie konnte ich wissen dass er ein Doppelagent war? Man hatte mir gesagt, dass er das war. Und der KGB-Agent? Das Gesicht habe ich erkannt, aber auch das war etwas, was mir die Einsatzkontrolle geliefert hatte. Was, wenn es nicht stimmte?«
»Sie meinen, das war gar kein KGB-Mann?«
»Tatsächlich war er das. Sergej Kuzmin hieß er. Aber der Mann, der sich mit ihm getroffen hat, hatte Angst -man hatte ihn zu dem Treffen erpresst. Er hatte keinerlei Interesse daran, dem KGB irgendetwas Nützliches zu liefern. Er hatte vor, den Mann davon zu überzeugen, dass er nichts mehr zu bieten hatte, dass sein diplomatischer Rang zu niedrig wäre, um überhaupt wertvoll zu sein. Er hatte vor, ihm zu sagen, er solle Leine ziehen, und zum Teufel mit den Folgen.«
»Woher wissen Sie das?«
»Weil ich mit seiner Frau gesprochen habe. Das gehörte nicht zu meinen Einsatzanweisungen.«
»Das ist so zufällig, Mann. Und woher wussten Sie, dass sie Ihnen die Wahrheit gesagt hat?«
»Ich wusste es einfach«, erwiderte er und zuckte die Schultern. Ein erfahrener Agent
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