Der Janson-Befehl
fließend, der Akzent ausgeprägt, aber er sprach deutlich artikuliert. Ein gebildeter Mann.
»Wir wissen, dass Sie kein imperialistischer Aggressor sind«, fuhr die Stimme fort. »Sie sind von den imperialistischen Aggressoren verführt worden.«
Der Verhörführer rückte jetzt ganz nahe an ihn heran; Janson wusste, dass sein Körpergeruch dem Mann unangenehm sein musste - das war er ihm selbst auch -, aber er ließ sich davon nichts anmerken. Der Vietnamese berührte Jansons Wange, die von den Bartstoppeln rau war, und sprach leise: »Aber wenn Sie uns wie Verführte behandeln, ist das respektlos. Können Sie das verstehen?«
Ja, er war ein gebildeter Mann, und Janson war sein Spezialprojekt. Das beunruhigte ihn: Es deutete darauf hin, dass sie sich inzwischen zusammengereimt hatten, dass er tatsächlich kein gewöhnlicher Soldat war.
Janson fuhr sich mit der Zunge über die Zähne; sie fühlten sich pelzig an und irgendwie fremd, als hätte man sie gegen ein Gebiss ausgetauscht, das aus den Überresten eines alten Balsa-Floßes geschnitzt war. Ein zustimmender Laut entrang sich seinem Mund.
»Fragen Sie sich selbst, wie es kommt, dass man Sie gefangen genommen hat.«
Der Mann ging um ihn herum, ging auf und ab wie ein Schulmeister vor seiner Klasse. »Sehen Sie, in gewisser Weise sind wir uns sehr ähnlich. Wir sind beide Offiziere im Nachrichtendienst. Sie haben Ihrer Sache tapfer gedient. Ich hoffe, dass man von mir dasselbe sagen kann.«
Janson nickte. Ein Gedanke huschte ihm kurz durch den Kopf: Konnte jemand tatsächlich so verrückt sein, die Folterung eines wehrlosen Gefangenen als Tapferkeit zu betrachten? Aber er verdrängte den Gedanken schnell wieder; im Augenblick half er ihm nicht weiter; er würde seine Konzentration beeinträchtigen, ihn dem anderen widerspenstig erscheinen lassen. Klar wie Wasser, kalt wie Eis.
»Mein Name ist Phan Nguyen, und ich denke, dass wir uns beide als privilegiert betrachten dürfen, einander kennen gelernt zu haben. Ihr Name ist.«
»Private Kevin Jones«, sagte Janson. In den Phasen seiner Gefangenschaft, in denen er klar hatte denken können, hatte er hinter jenem Namen ein ganzes Leben erschaffen - einen Infanteristen aus Nebraska, ein paar kleine Probleme mit der Polizei unmittelbar nach der High School, eine schwangere Freundin zu Hause, eine Brigade, die die Orientierung verloren hatte. Die künstlich geschaffene Gestalt kam ihm beinahe echt vor, auch wenn sie aus Filmfragmenten, Romanen und Zeitschriften zusammengeflickt war. Aus den Tausenden von Geschichten, die es über Amerika gab, konnte er mühelos etwas aufbauen, das echter als jede echte amerikanische Geschichte klingen würde. »US Infantry.«
Das Gesicht des kleinen Mannes rötete sich, und er versetzte Janson einen Boxhieb auf das rechte Ohr, so heftig, dass sein Kopf noch eine Weile davon dröhnte. »Lieutenant Junior Grade Paul Janson«, sagte Phan Nguyen. »Machen Sie nicht all die gute Arbeit zunichte, die Sie schon geleistet haben.«
Woher kannten sie seinen echten Namen und seinen Rang?
»Das haben Sie uns alles gesagt«, erklärte Phan Nguyen eindringlich. »Sie haben uns alles gesagt, im Delirium, haben Sie das vergessen? Ja, so ist es, glaube ich. So ist es. Das kommt häufig vor.«
War es möglich? Jansons Augen bohrten sich in die Nguyens, und beide Männer sahen ihren Verdacht bestätigt. Beide sahen, dass der andere gelogen hatte. Janson hatte nichts preisgegeben - oder jedenfalls bis jetzt nichts. Denn aus seiner Reaktion, einer Reaktion, die nicht Angst oder Verblüffung erkennen ließ, sondern Wut und Zorn, konnte Nguyen erkennen, dass seine Identifikation richtig war.
Janson hatte nichts zu verlieren: »Jetzt sind Sie derjenige, der lügt«, knurrte er. Er spürte einen scharfen, stechenden Schlag mit dem Bambusstock über seinen Oberkörper, aber diesmal steckte eher gespielter Ärger dahinter; Janson hatte inzwischen gelernt, solche winzigen Abstufungen zu beurteilen.
»Wir sind praktisch Kollegen, Sie und ich. Ist das das richtige Wort? Kollegen? Ja, so ist es, glaube ich. So ist es.«
Wie sich später herausstellen sollte, benutzte Phan Nguyen jene Worte, Ja, so ist es, glaube ich, fast wie im Selbstgespräch: Sie unterschieden Fragen, die keine ausgesprochene Zustimmung erforderten, von jenen anderen, die das taten. »Und jetzt werden wir offen miteinander sprechen, so wie Kollegen das tun. Sie werden mit Ihren Lügen und Fabeln aufhören, oder bestraft werden ...
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