Der Janson-Befehl
schmerzlich.«
Das Wort schien ihm Spaß zu machen, und deshalb wiederholte er es noch einmal. »Schmerzlich. Ich weiß, dass Sie ein tapferer Mann sind. Ich weiß, dass Sie eine hohe Toleranzschwelle für Schmerzen haben. Vielleicht möchten Sie, dass wir einmal ausprobieren, wie hoch diese Schwelle ist, ein Experiment?«
Janson schüttelte den Kopf, spürte, wie seine Eingeweide revoltierten. Plötzlich riss es ihn nach vorne, es würgte ihn. Ein wenig Erbrochenes fiel auf den festgetretenen Boden. Es sah aus wie Kaffeesatz. Ein klinisches Anzeichen für innere Blutungen.
»Nein? Ich werde für den Augenblick verzichten, Antworten von Ihnen zu verlangen. Ich möchte, dass Sie sich selbst die Fragen stellen.«
Phan Nguyen setzte sich wieder, sah Janson mit seinen intelligenten, wissbegierigen Augen eindringlich an. »Ich möchte, dass Sie sich die Frage stellen, wie es dazu kam, dass Sie gefangen wurden. Wir wussten genau, wo wir Sie finden würden - das muss Sie doch verblüfft haben, nicht? Was Sie vorfanden, war nicht die Reaktion überraschter Menschen, nicht wahr? Also wissen Sie, dass es so ist, wie ich sage.«
Janson verspürte eine neue Aufwallung von Übelkeit: Was Phan Nguyen sagte, war richtig. Es mochte ja in Lüge verpackt sein, aber die Wahrheit blieb dennoch existent, unverdaulich und schwer.
»Sie sagen, Sie haben mir keine Einzelheiten über Ihre Identität gesagt. Aber da bleibt doch eine viel quälendere Frage übrig. Wenn nicht Sie, wer dann? Wie kommt es, dass wir Ihr Team abfangen und einen ranghohen Offizier der legendären amerikanischen Abwehrabteilung, der legendären Navy SEALs, gefangen nehmen konnten? Wie?«
Ja, wie? Es gab nur eine Antwort: Lieutenant Commander Alan Demarest hatte die Information an die NVA, die reguläre Armee Nordvietnams, oder deren Vietkong-Alliierte durchsickern lassen. Er war ein zu vorsichtiger Mann, als dass das ein versehentliches Leck hätte sein können. Es wäre außergewöhnlich einfach gewesen. Die Information würde »versehentlich« jemandem vom südvietnamesischen Militär preisgegeben worden sein, von dem Demarest wusste, dass er über enge Beziehungen zur NVA verfügte; sie könnte in einem Versteck mit Papieren »verborgen« gewesen sein, das »versehentlich« in einem Dschungelaußenposten zurückgeblieben war, einem, den man überhastet unter feindlichem Beschuss aufgegeben hatte. Die Details könnten absichtlich vermittels eines Codes und einer dem Feind bekannten Funkfrequenz übermittelt worden sein. Demarest hatte Janson aus dem Weg schaffen wollen; er hatte ihn aus dem Weg schaffen müssen, und deshalb hatte er die Angelegenheit so erledigt, wie nur er das konnte. Der ganze Einsatz war eine gottverdammte Falle gewesen, ein Trick des Meisters der Tricks.
Demarest hatte ihm das angetan!
Und jetzt saß der Lieutenant Commander ohne Zweifel an seinem Schreibtisch und hörte sich Hildegard von Bingen an; und Janson war an einen Hocker in einem Vietkong-Lager gefesselt, und der Eiter quoll ihm aus offenen Wunden, die die Fesseln in sein Fleisch geschnitten hatten, sein Körper war zerschlagen und sein Verstand in einem chaotischen Zustand ganz besonders infolge der Erkenntnis, dass sein Martyrium gerade erst begonnen hatte.
»Nun«, sagte Phan Nguyen. »Sie müssen einräumen, dass unsere nachrichtendienstliche Tätigkeit überlegen ist. Wir wissen so viel über Ihre Operationen, dass es sinnlos wäre, wenn Sie schweigen, so als wollten Sie dem Ozean eine Träne vorenthalten. Ja, so ist es, glaube ich. So ist es, glaube ich.«
Er verließ den Raum, besprach sich mit leiser Stimme mit einem anderen Offizier und kehrte dann wieder zurück, setzte sich auf seinen Stuhl.
Jansons Augen fielen auf die Füße des Mannes, die den Boden nicht berührten, registrierten seine robusten amerikanischen Schnürstiefel und die Waden, die dünn wie die eines Kindes waren.
»Sie müssen sich an die Tatsache gewöhnen, dass Sie nie in die Vereinigten Staaten von Amerika zurückkehren dürfen. Bald werde ich Ihnen über die Geschichte Vietnams erzählen, angefangen mit Trung Trac und Trung Nhi, den beiden Doppelköniginnen von Vietnam, die im Jahre neununddreißig nach Christi Geburt die Chinesen aus unserem Land verjagt haben - ja, so früh werde ich beginnen! Vor Ho waren die Trung-Schwestern da. Wo war Amerika im Jahre neununddreißig nach Christi Geburt? Allmählich werden Sie begreifen, wie sinnlos die Bemühungen Ihrer Regierung sind, die
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