Der Janson-Befehl
geschah jemals, was das amerikanische Fernsehen nicht auf einen Fünfzehn-SekundenSpot reduzierte: Fetzen von Chaos zwischen Segmenten über neue Wunderdiäten, in Gefahr geratene Haustiere und Warnungen vor teuren Spielsachen, die, wenn man sie verschluckte, für kleine Kinder gefährlich waren. Wie reich dieser Westen doch an materiellen Dingen war und wie arm an spirituellen! War Amerika wirklich ein Leuchtturm für andere Nationen? Wenn ja dann ein Leuchtturm, der andere Schiffe in die Untiefen lockte!
Als der vi erundzwanzigj ährige diplomierte Ingenieur in sein Geburtsland zurückkehrte, erfüllte ihn noch größere Unrast. Ungerechtigkeit, die in die Länge gezogen wurde, war vergrößertes Unrecht. Und - er konnte es nicht oft genug sagen: Die einzige Lösung für Gewalt war noch mehr Gewalt.
Janson verbrachte die nächste Stunde damit, die Akten durchzugehen und sich von den vier Kollegen Marta Langs kurze Referate anzuhören. Ein Großteil des Materials war ihm vertraut; einige der Analysen spiegelten sogar seine eigenen Berichte wider, die er vor mehr als fünf Jahren aus Caligo geliefert hatte. Vor zwei Tagen hatten die Rebellen Armeestützpunkte übernommen, einige Checkpoints durchbrochen und praktisch die Kontrolle über die Provinz Kenna an sich gebracht. Das war ganz offensichtlich sorgfältig vorausgeplant worden, bis hin zu der Gipfelkonferenz, die in eben dieser Provinz abgehalten wurde. In ihrem letzten Kommunikee an ihre Gefolgsleute hatte sich die KLF offiziell von der Kagama-Delegation bei den Verhandlungen distanziert und sie als Verräter bezeichnet, die ohne Vollmacht gehandelt hatten. Das war natürlich eine Lüge, eine von vielen.
Es gab ein paar neue Einzelheiten. Ahmad Tabari, der Mann, den sie den Kalifen nannten, hatte in den letzten paar Jahren starken Zulauf bekommen. Einige seiner Lebensmittelprogramme, so konnte Janson in den Akten lesen, hatten ihm selbst bei den Hindubauern Sympathie eingetragen. Sie hatten ihm den Spitznamen Exterminator gegeben - nicht wegen seiner Neigung, Zivilisten zu ermorden, sondern wegen einer Kampagne gegen Ungeziefer, die er ins Leben gerufen hatte. In den von der KLF kontrollierten Gebieten wurden ausnahmslos massive Maßnahmen gegen die Bandicoot-Ratte ergriffen, eine Spezies von Nagetieren, die gewöhnlich große Schäden an Getreide und beim Federvieh anrichtete. Tatsächlich ging Tabaris Kampagne auf einen uralten Aberglauben zurück. In Tabaris Clan - der Großfamilie, der sein Vater angehörte - repräsentierte die Bandicoot-Ratte den Tod. Ganz gleich wie viele Koranverse Ahmad Tabari auswendig gelernt hatte: Jenes uralte Tabu hatte sich unauslöschlich in seine Psyche eingebrannt.
Doch Jansons volle Aufmerksamkeit galt mehr dem physikalischen als dem psychologischen Bereich. Er verbrachte die nächsten zwei Stunden damit, detaillierte topographische Karten zu studieren, körnige Satellitenbilder, die die Rebellenbewegungen im Detail zeigten, und alte Blaupausen eines Gebäudes zu prüfen, das einmal einem Kolonialgouverneur als Amtssitz gedient hatte und davor eine Festung gewesen war - das Gebäude auf Adam's Hill, das die Holländer den Steenpaleis genannt hatten, den Steinpalast.
Immer wieder musterte er die Messtischblätter des Adam's Hill und die Pläne des Steinpalastes, betrachtete Luftansichten und Blaupausen. Zum Schluss stand für ihn fest: Wenn die amerikanische Regierung es abgelehnt hatte, die SEALs zu schicken, dann war dies nur teilweise aus politischen Erwägungen geschehen. Der andere Teil war der, dass jede Art von Exfiltrationseinsatz nur äußerst geringe Erfolgschancen hatte.
Langs Mitarbeiter wussten das. Er konnte es in ihren Gesichtern lesen: Sie verlangten von ihm, dass er einen Einsatz durchführte, der im Prinzip von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Aber vielleicht war niemand bereit, das Marta Lang zu sagen. Oder man hatte es ihr gesagt, und sie hatte es nicht akzeptieren wollen. Es war klar, dass Peter Novak für sie jemand war, für den es sich lohnte zu sterben. Sie würde ihr Leben für ihn hingeben; und Leute wie sie waren stets auch bereit, das Leben anderer hinzugeben. Doch konnte er sagen, dass sie Unrecht hatte? Wie oft war das Leben von Amerikanern wegen lächerlicher Dinge geopfert worden - um zum zehnten Mal eine Brücke über den Dak Nghe zu bauen, eine Brücke, die zum zehnten Mal zerstört werden würde, ehe der Morgen dämmerte. Peter Novak war ein großer Mann. Viele verdankten ihm
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