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Der Janson-Befehl

Titel: Der Janson-Befehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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versuchten sich gegenseitig zu fangen und rempelten Jessie dabei immer wieder an; ihre gekicherten Entschuldigungen wirkten bestenfalls oberflächlich. Die Eltern schienen zu müde oder das Ganze war ihnen zu peinlich. Jedenfalls ignorierten ihre Sprösslinge vergnügt ihre finsteren Blicke.
    Sie fragte sich, ob sie sich besser für Rederij Lovers Cruise hätte entscheiden sollen, dessen Passagieren man »einen unvergesslichen Abend, begleitet von einem vorzüglichen Fünf-Gänge-Menü«, versprochen hatte. Für eine allein reisende Frau wäre das vielleicht unklug gewesen, aber sie hatte nicht gewusst, dass sie die Wahl gehabt hatte, von fremden Männern angemacht oder von fremden Kindern angerempelt zu werden. Wieder zwang sie ihre Augen dazu, alle Einzelheiten ihres Zielobjekts zu erfassen.
    Von Jessie unentdeckt, verlagerte ein Mann auf einem Dach hoch über dem geschäftigen Treiben der Prinsen-gracht seine Position. Das Warten war lang, fast unerträglich lang gewesen, aber jetzt hatte er Grund zu der Annahme, dass es nicht vergebens gewesen war. Ja - da, in dem Glasboot. Das war sie. Als er sein Zielfernrohr scharf stellte, verwandelte sich der Verdacht in Gewissheit.
    Das Gesicht der Amerikanerin füllte das Okular seines Zielfernrohrs aus, er konnte sogar ihr widerspenstiges braunes Haar, ihre hohen Backenknochen und die sinnlichen Lippen erkennen. Halb ausatmend hielt er den Atem an, als das Fadenkreuz auf dem Oberkörper der Frau zur Ruhe kam.
    Seine Konzentration war unerschütterlich, als seine Finger den Abzug berührten.

29
    Eine knappe Stunde nach der Landung auf dem Dulles Airport fuhr Janson auf einer schmalen, kurvenreichen Straße durch eine der idyllischsten Landschaften am Ostufer der Chesapeake-Bucht. Das Idyll täuschte freilich. Er erinnerte sich noch deutlich an Jessies Warnung. Wenn Collins deinen Tod möchte, solltest du nicht darauf bauen, dass du ihn wieder lebend verlässt, sobald du einmal bei ihm bist.
    Jessie wusste, dass er ein gewaltiges Risiko einging, wenn er sich von Angesicht zu Angesicht mit einem so tödlichen Widersacher traf. Doch in Janson loderte die Wut wie eine mächtige Flamme. Und außerdem war Derek Collins jemand, der Befehle erteilte: Er führte sie nicht selbst aus. So etwas würde eindeutig unter seiner Würde sein. Er würde sich unter keinen Umständen seine schmalen Aristokratenhände beschmutzen. Nicht, solange es andere gab, die so etwas für ihn erledigten.
    Die Chesapeake Bay wurde von mehr als dreitausend Kilometer Küstenlinie umfasst, wesentlich mehr, wenn man die einhundertfünfzig Seitenarme mit all ihren Buchten und Bächen und den von den Gezeiten abhängigen Wasserläufen mitzählte. Die Bucht selbst war seicht, zwischen drei und zehn Meter tief. Janson wusste, dass hier eine üppige Fauna beheimatet war: Bisamratten und Nutrias, Schwäne, Gänse, Enten, ja sogar Fischreiher gab es hier. Selbst der Weißkopfadler nistete im Flachland des Corchester County, und auch die große Ohreule. Diese Fülle an wild lebenden Tieren machte die Gegend zu einem beliebten Ziel für Jäger.
    Und Janson war gekommen, um zu jagen.
    Jetzt fuhr er bei Cambridge über den Choptank River auf die Bundesstraße 13, dort ein Stück nach Süden, über eine weitere Brücke und schließlich auf die lange Landzunge, die als Phipps Island bekannt war. Während er den gemieteten Camry über die kurvenreiche Straße lenkte, konnte er zwischen dem Gras der Salzsümpfe das Wasser sehen, in dem die Sonnenstrahlen sich spiegelten. Fischerboote zogen gemächlich durch die Bucht und schleppten Netze mit Blaukrabben und Steinfischen hinter sich her.
    Ein paar Meilen weiter erreichte er das eigentliche Phipps Island. Ihm war sofort klar, weshalb Derek Collins sich gerade diesen Ort als zweites Zuhause, als Zuflucht von der ständigen Belastung in Washington ausgewählt hatte. Die Ortschaft war nur eine kurze Strecke von Washington entfernt, einigermaßen isoliert und friedlich und zugleich durch ihre geographische Lage geschützt. Als Janson sich dem Cottage des Unterstaatssekretärs näherte, hatte er das deutliche Gefühl, für jedermann sichtbar zu sein. Lediglich ein langer, schmaler Landstreifen verband das Cottage mit der eigentlichen Halbinsel, sodass es äußerst schwierig war, sich unbemerkt zu nähern. Ein Eindringen auf dem Wasserweg andererseits bot ebenfalls Schwierigkeiten, weil die Bucht rund um das Cottage sehr seicht war. Die Holzstege, an denen Boote festmachen

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