Der Janson-Befehl
wenn man auch nur einen Paragraphen davon verletzt, dann reißen sie einem den Arsch auf.«
Der wohlhabende Hahnrei war ganz Würde und Vorsicht. »Das wird nicht passieren. Ich erwarte ja nicht von Ihnen, dass Sie irgendetwas umleiten. Ich erwarte nicht, dass Sie etwas Unrechtes tun. Ich bitte Sie ja nur, mir Kopien der Begleitscheine zu zeigen. Ich will sie gar nicht behalten, nur sehen will ich sie. Und wenn ich etwas herausbekomme, wenn es der Kerl ist, den ich im Verdacht habe, wird nie jemand erfahren, wie ich dahinter gekommen bin. Aber ich flehe Sie an: Sie müssen Marta und mir eine Chance geben. Und das ist die einzige Möglichkeit.«
Der Kurier nickte knapp. »Ich schaffe meine Runde nicht, wenn ich jetzt nicht hier verschwinde. Wie wär's, wenn Sie sich mit mir in der Halle des Sony Building an der Fünfundfünfzigsten und Madison treffen würden, in vier Stunden?«
»Sie tun das Richtige, mein Freund«, strahlte der Mann. Auf die zweitausend Dollar, die er dem Kurier als »Trinkgeld« hatte zukommen lassen, ging er nicht ein, das wäre unter ihrer beider Würde gewesen.
In der Halle des Sony Building, auf einem Stahlsessel neben einem Betonspringbrunnen sitzend, konnte er Stunden später schließlich in den Begleitscheinen blättern. Er war zu optimistisch gewesen: Die Lieferscheine enthielten die Adressen der Absender nicht, nur einen Ursprungscode, aus dem hervorging, wo die Sendung entgegengenommen worden war. Trotzdem blieb er hartnäckig, suchte nach einem Schema. Es gab Dutzende von Sendungen, die alle von den logischerweise zu erwartenden Standorten eintrafen, Städten, in denen die Liberty Foundation Zweigbüros unterhielt. Aber da gab es auch eine Hand voll Sendungen, die Marta Lang von einem Ort erhalten hatte, an dem es kein solches Büro gab. Weshalb holte Caslon Couriers regelmäßig Sendungen aus einer kleinen Ortschaft in den Blue Ridge Mountains ab?
»Ja«, erklärte er dem Kurier betrübt. »Es ist schon so, wie ich vermutet hatte.«
Er sah sich in der Halle um - einem innerstädtischen Terrarium aus Pflanzen und trägen Wasserfällen, die in einem verglasten »öffentlichen Raum« angeordnet worden waren, den irgendeine Baubehörde als Ausgleich für eine Höhenüberschreitung verlangt hatte. »Mir hat sie gesagt, sie hätten Schluss gemacht, und das haben sie vielleicht auch, für eine Weile. Aber jetzt läuft die Sache wieder. Na schön, dann fangen wir eben wieder mit Partnertherapie an.«
Mit betrübter Miene streckte Paul Janson dem Mann die Hand hin, wieder mit einem Stapel schlüpfriger Geldscheine, und der Kurier ergriff sie erfreut.
»Mein tiefes Mitgefühl, Mann«, sagte der Kurier.
Einige zusätzliche Recherchen - ein paar Stunden in der New York Public Library - brachten Janson weiter. Millintgton, Virginia, erwies sich als eine Ortschaft in der Nähe eines riesigen Landsitzes, den John Vincent Astor Ende des 19. Jahrhunderts hatte bauen lassen, ein Bauwerk, wie einigen Artikeln in Architekturzeitschriften zu entnehmen war, das an Eleganz und Detailreichtum einen Vergleich mit dem legendären Biltmore Estate nicht zu scheuen brauchte. Irgendwann in den fünfziger Jahren war das Anwesen in den Besitz von Maurice Hempel übergegangen, einem geheimnisvollen südafrikanischen Diamantenmagnaten, der inzwischen verstorben war. Und jetzt? Wem gehörte es jetzt? Wer lebte jetzt dort?
Ein Schluss lag nahe: ein Mann, den die Welt als Peter Novak kannte. Gewissheit? Keineswegs. Aber die Folgerungen, die Jansons Aufmerksamkeit auf das abgelegene Anwesen gelenkt hatten, hatten zweifellos einiges für sich. Kontrolle erforderte Kommunikation: Wenn dieser letzte überlebende »Novak« immer noch die Befehlsgewalt über sein Imperium ausübte, würde er auch in ständiger Verbindung mit seinen ersten Mitarbeitern bleiben müssen. Mit Leuten wie Marta Lang. Janson hatte vor, die Kommunikationskanäle anzuzapfen. Wenn er die subtilen Verästelungen des Netzes verfolgte, würde er möglicherweise die Spinne finden.
Den darauf folgenden Morgen verbrachte Janson auf der Landstraße. Inzwischen war er bei weitem nicht mehr so fest davon überzeugt, dass seine Vermutung zutraf. War es vielleicht zu einfach gewesen? Die Monotonie der Landstraße hatte nichts dazu beigetragen, ihn zu beruhigen. Er fuhr die meiste Zeit mit fast gleich bleibender Geschwindigkeit, verließ ziemlich bald die Fernstraße und benutzte die kleineren Straßen, die die Blue Ridge Mountains wie von Menschenhand
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