Der Janson-Befehl
vertrauliche und hochgradig geheime Informationen über die Entscheidungen von Zentralbanken auf der ganzen Welt zu erhalten. Hatte die Bundesbank vor, die Deutsche Mark abzuwerten? Würde Malaysia den Ringgit stützen? Hatte man sich in der Downing Street dafür entschieden, das Pfund Sterling abrutschen zu lassen? Wie viel würde es wert sein, das zu wissen - und wäre es nur wenige Tage, bevor die Entscheidung umgesetzt wurde? Unserem Programm war derartige Insiderinformation zugänglich, weil wir ihm auch die anderen Früchte unserer nachrichtendienstlichen Arbeit zur Verfügung stellten. Es war ein Kinderspiel, und dadurch schlossen wir eine Anzahl großer Termingeschäfte mit starker Hebelwirkung ab. Aus zwanzig Millionen wurden auf diese Weise ganz schnell zwanzig Milliarden - und dann viel, viel mehr. Ein legendärer Finanzzauberer war am Werk. Und niemand brauchte zu wissen, dass seine brillante Intuition und seine Instinkte in Wirklichkeit das Resultat.«
»... des Missbrauchs des Überwachungsprogramms der amerikanischen Regierung waren«, fiel Janson ihm ins Wort.
»Richtig«, nickte Präsident Berquist ernst. »Völlig richtig. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass es sich um ein Programm handelt, das bereits lange vor meinem Amtsantritt angelaufen war. Mit Hilfe außergewöhnlicher Maßnahmen hatte das Moebius-Programm einen äußerst prominenten Milliardär geschaffen., aber wir hatten nicht mit dem menschlichen Faktor gerechnet, mit der Möglichkeit, der Zugang zu all dem Reichtum und all der Macht und die Kontrolle darüber könnte sich für wenigstens einen unserer Agenten als zu große Versuchung erweisen.«
»Lernt ihr es denn nie?«, brauste Janson auf. »Das Gesetz der unerwünschten Konsequenzen - kennen Sie es?«
Seine Augen wanderten von Gesicht zu Gesicht. »Die Geschichte der amerikanischen Nachrichtendienste wimmelt geradezu von genialen Plänen, die immer wieder mit tödlicher Sicherheit dazu führten, dass es der Welt nachher schlechter ging. Und jetzt reden wir vom >menschlichen Faktor<, als ob auf Ihren gottverdämmten Planungsblättern dafür kein Platz gewesen wäre.«
Janson fixierte Collins. »Als wir das letzte Mal miteinander sprachen, habe ich Sie gefragt, wer sich dazu bereit erklären würde, eine solche Rolle zu spielen - seine ganze Identität auslöschen zu lassen. Was für ein Mensch würde so etwas tun?«
»Ja«, sagte Collins, »und ich habe darauf geantwortet, Jemand, der keine Wahl hatte<. Sie kennen den Betreffenden sogar. Einen Mann namens Alan Demarest.«
35
Janson rann es eisig durch die Adern, und einen Augenblick lang konnte er vor sich nur das Gesicht seines ehemaligen Vorgesetzten sehen. Alan Demarest. Übelkeit stieg in ihm hoch, und in seinem Kopf begann es zu dröhnen.
Es war eine Lüge!
Alan Demarest war tot. Vom Staat hingerichtet. Jansons Erinnerung an jene endgültige Vergeltung war das Einzige, was seine Erinnerungen erträglich machte.
Als Janson in die Staaten zurückgekehrt war, hatte er einen ausführlichen Bericht eingereicht, der dazu geführt hatte, dass Demarest unter Anklage gestellt wurde. Ein geheimes Militärtribunal war zusammengetreten; die Entscheidung war auf höchster Ebene getroffen worden: Die Moral der Nation wurde für zu wertvoll erachtet, um zulassen zu können, dass das, was Demarest getan hatte, an die Öffentlichkeit gelangte, aber die Gerechtigkeit würde dennoch ihren Lauf nehmen. Jansons ausführliche, von Zeugen beeidigte Aussage hatte den Militärrichtern die Beweisfindung leicht gemacht. Man hatte Demarest nach nur wenigen Stunden der Beratung für schuldig befunden und zum Tod verurteilt. Der Mann, den ein Agent der Spionageabwehr als den »Mr. Kurtz von Khe Sanh« bezeichnet hatte, war von einem militärischen Erschießungskommando exekutiert worden.
Und Janson hatte zugesehen.
Mesa Grande. In den Ausläufern der San-Bernardino-Berge. per Stoffkreis auf seinem Overall - zuerst weiß und dann hellrot.
Janson starrte, immer noch wortlos, Collins an und spürte, wie eine Ader auf seiner Stirn zu pulsieren begann.
»Ein Mann, der keine Wahl hatte«, wiederholte Collins unnachgiebig. »Er war ein brillanter Mann, ein äußerst brillanter Mann - und sein Verstand war so etwas wie ein Präzisionsinstrument. Aber wie Sie ja festgestellt haben, hatte er auch deutliche Schwächen. Sei's drum. Wir brauchten jemand mit seinen Fähigkeiten, und seine absolute Loyalität gegenüber seinem Land war nie in Zweifel
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