Der Janson-Befehl
Islamischen Republik Mansur Platz genommen hatte. Er brauchte dazu nicht lange.
Da, ganz außen am Gang, ein gut aussehender Mann im wallenden Gewand, das zu dem der anderen Männer der Delegation von Mansur passte. Janson drückte ein paar Knöpfe auf der Konsole, und das Bild tauchte auf dem großen Zentralmonitor auf, ersetzte die Weitwinkelansicht der Versammlung. Er vergrößerte das Bild weiter, reduzierte mit digitalen Mitteln die Schatten und sah wie gebannt zu, wie sich der große Flachbildschirm mit dem unverkennbaren Gesicht füllte.
Ahmad Tabari. Der Mann, den sie den Kalifen nannten.
Wut durchzuckte Janson wie elektrischer Strom, als er das ebenholzschwarze Gesicht, die Adlernase und das kräftige, wie gemeißelt wirkende Kinn des Mannes studierte. Selbst wenn er wie jetzt unbewegt und stumm dasaß, war sein Charisma deutlich zu spüren.
Janson drücke ein paar Knöpfe, und das Bild auf dem großen Monitor wechselte zu den versteckten Kameras in der Direktionssuite.
Ein anderes Gesicht, eine andere Art von unbarmherzigem Charisma: das Charisma eines Mannes, der nicht nach Macht strebte, sondern sie besaß. Das volle Haar, immer noch mehr schwarz als grau, die hohen Backenknochen, der elegante Einreiher: Peter Novak. Ja, Peter Novak: Dazu war der Mann geworden, und so musste Janson ihn sehen, wenn er an ihn dachte. Er saß an einem Ende eines hellen Holztischs, nahe bei einem Telefon, das direkt mit einem Kommunikationssystem auf dem Marmorrednerpult in der Versammlungshalle und mit den Stationen der Techniker verbunden war. Ein Fernseher in der Ecke erlaubte es den VIPs in der Suite, das Geschehen draußen in der Halle zu verfolgen.
Jetzt öffnete sich die Tür der Suite, und zwei Mitglieder des Secret Service mit Drahtspiralen, die aus ihren Ohren hingen, inspizierten den Raum.
Janson drückte einen anderen Knopf, veränderte den Kamerawinkel.
Peter Novak stand auf. Lächelte seinen Besucher an.
Den Präsidenten der Vereinigten Staaten.
Berquist, ein Mann, der normalerweise vor Selbstvertrauen geradezu strotzte, wirkte jetzt aschfahl. Es gab keinen Audiokanal, aber es war klar, dass der Präsident die beiden Geheimdienstleute aufforderte, sie allein zu lassen.
Jetzt zog der Präsident wortlos einen versiegelten Umschlag aus der Brusttasche und reichte ihn Peter Novak. Seine Hände zitterten.
Im Profil waren die beiden eine Studie von Kontrasten: Einer, der Führer der freien Welt, scheinbar besiegt und leicht gebeugt, der andere breitschultrig und triumphierend.
Der Präsident nickte und wirkte einen Augenblick lang, als wollte er etwas sagen, ließ es dann aber bleiben.
Er ging hinaus.
Kamera Nummer zwei. Novak, den Umschlag in die Brusttasche schiebend. Jener Umschlag, das wusste Janson, konnte den Lauf der Weltgeschichte verändern.
Und das war lediglich die erste Rate.
Der Kalif sah auf die Uhr. Alles würde vom richtigen Timing abhängen. Die Metalldetektoren machten es selbst Delegationsmitgliedern unmöglich, Feuerwaffen zu tragen; er hatte es nicht anders erwartet. Und doch war es eine eher elementare Aufgabe, sich eine solche Waffe zu beschaffen. Es gab Hunderte davon in dem Gebäude, sie gehörten den Sicherheitswachen der Vereinten Nationen und anderen der für den Schutz der Delegierten Zuständigen. Der Kalif empfand nur wenig Respekt für sie oder ihre Fähigkeiten: Schließlich hatte er einigen der tödlichsten Krieger der ganzen Welt gegenübergestanden und war Sieger geblieben. Sein ganz persönlicher Mut hatte ihm den unvergänglichen Respekt seiner ungebildeten und zerlumpten Gefolgsleute eingetragen. Nur die Ideologie oder Koranverse zu beherrschen hätte da nicht ausgereicht.
Nein, dies waren Menschen, die wissen mussten, dass ihre Anführer über persönlichen Mut verfügten, physische wie intellektuelle Stärke.
Sobald er diese seine kühnste Tat vollbracht hatte, würde er die Aura der Unbesiegbarkeit zurückgewinnen, die er in jener Nacht im Steenpaleis verloren hatte, sogar noch in gesteigertem Maße. Er würde die Tat vollbringen und in dem Chaos, das gleich danach ausbrechen würde, in dem Schnellboot entkommen können, das im East River auf ihn wartete, keine dreißig Meter östlich von dem UNKomplex entfernt. Die Welt würde lernen, dass die Sache des Kalifen, die Sache Allahs, eine gerechte war, die man nicht ignorieren durfte.
Ja, sich eine Hochleistungswaffe zu verschaffen würde nicht viel schwieriger sein, als sie von einem Regal in einem Lagerhaus
Weitere Kostenlose Bücher