Der Janson-Befehl
Barkeeper, ihnen die nächste Runde zu bringen. »Ich muss weggekippt sein oder so was, und sie hat meine Taschen durchsucht. Zum Glück hat sie meinen Geldgurt nicht gefunden. Ich schätze, dazu hätte sie mich herumdrehen müssen, und sie hat wohl Angst gehabt, ich würde dabei aufwachen. Aber sie hat mir den Pass gestohlen, meine Kreditkarten.«
Janson griff nach seinem Ringfinger, hielt ihn dem Matrosen vors Gesicht und zeigte ihm, dass die Diebin nicht einmal vor der letzten Demütigung zurückgeschreckt war, ihm den Ehering zu stehlen. Sein Atem ging schwer, ein Mann aus einer anderen Welt, der sich an einen Albtraum erinnert.
»Warum melden Sie es nicht der astynomia? Die Hafenpolizei hier in Piräus kennt die Nutten.«
Janson hielt sich die Hände vors Gesicht. »Das kann ich nicht. Das Risiko ist zu groß. Wenn ich Anzeige erstatte, kostet mich das Kopf und Kragen. Und das ist auch der Grund, warum ich nicht zur Botschaft gehen will. Meine Firma ist sehr konservativ. Ich darf unter keinen Umständen das Risiko eingehen, dass die es erfahren - wir haben überall Vertreter. Ich weiß, ich sehe nicht so aus, aber ich habe einen Ruf zu wahren. Und meine Frau - du großer Gott!«
Plötzlich standen ihm Tränen in den Augen. »Sie darf das nie erfahren, niemals!« »Sie sind also ein großer Mann«, sagte der Matrose und musterte den Fremden von Kopf bis Fuß.
»Und ein noch viel größerer Idiot. Was habe ich mir bloß dabei gedacht?«
Er leerte sein Glas Metaxa, füllte beide Backen mit dem süßlichen Branntwein, drehte dann seinen Hocker nervös herum und führte das bernsteinfarbene Wasserglas an die Lippen. Nur ein geübter Beobachter hätte bemerkt, dass der Pegel in Jansons Wasserglas, obwohl niemand nachgeschenkt hatte, wie durch Zauberei stieg.
»Nicht der große Kopf hat gedacht«, meinte der Seemann weise. »Der kleine Kopf hat gedacht.«
»Wenn ich nur zu unserem Regionalbüro in Izmir gelangen könnte, dann ließe sich alles in Ordnung bringen.«
Der Seemann fuhr ruckartig vor ihm zurück. »Sind Sie Türke?«
»Türke? Großer Gott, nein.«
Janson rümpfte angewidert die Nase. »Wie können Sie nur so etwas glauben? Sind Sie Türke?«
Der Seemann spuckte auf den Boden, anstatt die Frage zu beantworten.
In Piräus zumindest lebte die alte Feindschaft noch.
»Schauen Sie, wir sind eine internationale Firma. Ich bin zufälligerweise kanadischer Staatsbürger, aber unsere Kunden sind überall. Ich gehe nicht zur Polizei und darf es auch nicht riskieren, in der Botschaft aufzutauchen. Diese Geschichte könnte meine Karriere zerstören - ihr Griechen, ihr seid weltläufig, ihr habt Verständnis für menschliche Schwächen, aber die Leute, mit denen ich zusammenarbeite, sind nicht so. Die Sache ist, wenn es mir bloß möglich wäre, nach Izmir zu kommen, dann könnte ich dafür sorgen, dass dieser ganze Albtraum verschwindet. Wenn es sein muss, würde ich die ganze Strecke schwimmen.«
Er knallte das dicke Glas auf die zerbeulte Blechverkleidung der Bar. Dann wedelte er mit einem Hundert-EuroSchein, um dem Barkeeper zu bedeuten, dass er eine weitere Runde bringen sollte.
Der Mann sah den Geldschein an und schüttelte den Kopf. »Echetai mipospiopsila?«
Er wollte einen kleineren Schein.
Janson sah den Schein an, als ob seine Sicht getrübt wäre. »Oh, tut mir Leid«, sagte er dann, steckte die Geldnote weg und reichte dem Mann zwei Fünf-EuroScheine.
Wie Janson das beabsichtigt hatte, entging die Verwechslung seinem Gesprächspartner nicht; dessen Interesse an seiner Notlage wuchs jetzt.
»Eine ziemliche Strecke, wenn man sie schwimmen muss«, sagte der Seemann und grinste. »Vielleicht gibt es eine andere Möglichkeit.«
Janson sah ihn flehentlich an. »Glauben Sie?«
»Spezialtransport«, sagte der Mann. »Nicht sehr bequem. Nicht billig.«
»Wenn Sie mich nach Izmir bringen, zahle ich Ihnen zweitausendfünfhundert Dollar - US-Dollar, keine kanadischen.«
Der Matrose sah Janson an, als würde er überlegen. »Da müssen andere mitmachen.«
»Die zweitausendfünfhundert sind für Sie, dafür, dass Sie alles arrangieren. Wenn weitere Spesen anfallen, dann übernehme ich die ebenfalls.«
»Warten Sie hier«, sagte der Matrose, den die Habgier zusehends nüchtern machte. »Ich muss telefonieren.«
Janson trommelte mit den Fingern auf der Theke, während er wartete; auch wenn seine Trunkenheit vorgetäuscht war, erforderte doch die Unruhe, die er an den Tag legte, nur wenig
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