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Der Janusmann

Der Janusmann

Titel: Der Janusmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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mir ein, dass ich das Gerät zum letzten Mal vor anderthalb Stunden oben in Dukes Bad benutzt hatte. Beim Einschalten hatte ich Duffys Nachricht vorgefunden: Wir müssen uns treffen.
    »Weshalb wolltest du mich treffen?«, fragte ich sie.
    Sie schüttelte den Kopf. »Spielt jetzt keine Rolle mehr. Ich ändere den ursprünglichen Plan und streiche alle Ziele bis auf die Befreiung Teresas. Finde sie und hole sie dort raus, okay?«
    »Was ist mit Beck?«
    »An Beck kommen wir nicht heran. Ich hab wieder Mist gebaut. Das angebliche Dienstmädchen war eine legitime Agentin, aber Teresa war es nicht. Auch du nicht. Und jetzt ist das Dienstmädchen tot. Sie werden mich entlassen, weil ich Teresa und dich inoffiziell eingesetzt habe. Und sie werden die Ermittlungen gegen Beck einstellen, weil ich durch mein unerlaubtes Handeln dafür gesorgt habe, dass er nicht mehr verurteilt werden kann. Sieh also zu, dass du Teresa dort rausholst und wir alle nach Hause gehen können.«
    »Okay«, sagte ich.
    »Das mit Quinn musst du vergessen«, meinte sie. »Einfach abhaken.«
    Ich schwieg.
    »Wir haben auf ganzer Linie versagt«, fuhr sie fort. »Du hast nichts Brauchbares entdeckt. Überhaupt nichts. Keinerlei Beweise. Diese Sache war von Anfang bis Ende reine Zeitverschwendung.«
    Ich schwieg.
    »Wie meine Laufbahn«, sagte sie.
    »Wann willst du das Justizministerium informieren?«
    »Über den Tod des Dienstmädchens?«
    Ich nickte.
    »Natürlich sofort«, antwortete sie. »Das muss ich. Mir bleibt nichts anderes übrig. Aber ich will erst durch eigene Nachforschungen herausfinden, wer sie dort hingeschickt hat. Weil ich die schlimme Nachricht lieber von Angesicht zu Angesicht übermitteln möchte. Das gibt mir Gelegenheit, mich zu entschuldigen. Mach ich’s anders, ist der Teufel los. Dann werden alle meine Zugangskodes gesperrt, ich bekomme einen Pappkarton in die Hand gedrückt und werde aufgefordert, meinen Schreibtisch binnen einer halben Stunde zu räumen.«
    »Wie lange arbeitest du schon dort?«
    »Sehr lange. Ich dachte, ich würde die erste Direktorin werden.«
    Ich schwieg.
    »Ich hätte’s dir gesagt«, erklärte sie. »Ich hätte dir von einer weiteren Agentin erzählt, das schwöre ich dir.«
    »Ich weiß«, entgegnete ich. »Tut mir Leid, dass ich voreilig falsche Schlüsse gezogen habe.«
    »Das kommt vom Stress«, meinte sie. »Verdeckt arbeiten ist anstrengend.«
    Ich nickte. »Ich komme mir in dem Haus wie in einem Spiegelkabinett vor. Eine Sache nach der anderen taucht auf. Und alles erscheint einem irreal.«
    Wir verließen den Coffeeshop. Unsere Autos parkten nicht weit voneinander entfernt. Duffy küsste mich zum Abschied auf die Wange. Dann stieg sie in den Taurus und fuhr nach Süden davon. Ich setzte mich in den Saab und lenkte ihn zurück nach Norden.
     
    Paulie hatte es nicht eilig, mir das Tor zu öffnen. Er ließ mich ein paar Minuten warten, bevor er überhaupt aus seinem Häuschen kam. Er trug noch immer den gelben Regenmantel, baute sich am Tor auf und starrte mich eine Minute lang an, bevor er sich mit dem Schloss befasste. Aber mir war das egal. Ich musste nachdenken. In meinem Kopf hörte ich Duffys Stimme: Ich ändere den ursprünglichen Plan. Beim Militär war ein Kerl namens Leon Garber die meiste Zeit direkt oder indirekt mein Boss gewesen. Leon hatte für alles eine Redensart parat. Beispielsweise hatte er gesagt: Aufträge abändern ist clever, weil es verhindert, dass man schlechtem Geld gutes nachwirft. Damit meinte er nicht wirklich Geld. Er meinte Arbeit, Ressourcen, Zeit, Willen, Anstrengung, Energie. Und er widersprach sich häufig genug selbst. Zum Beispiel, wenn er postulierte: Man darf sich nie vom jeweiligen Job ablenken lassen. Natürlich sind Sprichwörter platt. Viele Köche verderben den Brei; geteiltes Leid ist halbes Leid; unter Blinden ist der Einäugige König; jedem recht getan, ist eine Kunst, die keiner kann. Eliminierte man ein paar Widerspruchsebenen, zeigte sich, dass Leon sehr für Änderungen war. Er befürwortete Revisionen, weil sie Nachdenken erforderten, was noch niemandem geschadet hatte. Also dachte ich angestrengt nach, weil ich etwas spürte, das sich langsam und kaum merklich am Rand meines Bewusstseins festsetzte. Etwas, das mit einer Äußerung Duffys zusammenhing: Du hast nichts Brauchbares entdeckt. Überhaupt nichts. Keinerlei Beweise.
    Ich hörte, wie das Tor sich öffnete, und hob den Kopf. Sah Paulie darauf warten, dass ich hindurchfuhr. Der

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