Der Janusmann
konzentrieren.«
Sie schwieg einen Augenblick. Dann fragte sie: »Möchten Sie tanzen gehen?«
»Hier?«
»Wir sind weit von zu Hause entfernt. Hier kennt uns niemand.«
»Okay«, sagte ich.
Dann überlegten wir uns, dass es zum Tanzen noch zu früh war, weshalb wir uns ein paar Biere genehmigten und auf den Abend warteten. Die Bar, die wir fanden, war klein und dunkel. Mit viel Holz und Ziegelmauerwerk. Ein gemütliches Lokal mit einer Musikbox. Wir überlegten lange, welches Stück wir auswählen sollten, kamen aber zu keinem Entschluss. So warfen wir zuletzt einfach eine Münze ein, machten die Augen zu und drückten auf irgendeine Taste. Die Jukebox spielte uns Brown Sugar von den Rolling Stones, ein großartiger Song. Sie war tatsächlich eine ziemlich gute Tänzerin. Aber ich tanzte miserabel.
Danach waren wir außer Atem, setzten uns und bestellten eine neue Runde. Und dann wurde mir schlagartig bewusst, was Gorowski gemacht hatte.
»Es ist nicht der Umschlag«, erklärte ich. »Der ist leer. Es ist die Zeitung. Die Pläne sind in der Zeitung. Im Sportteil. Er hätte wenigstens die Spielberichte überfliegen müssen. Der Umschlag ist ein Ablenkungsmanöver für den Fall, dass er überwacht wird. Die Sache ist gut eingeübt. Er wirft die Zeitung später in einen anderen Abfallbehälter. Nachdem er den Kreidestrich gemacht hat. Vermutlich an der Parkplatzausfahrt.«
»Scheiße«, sagte Kohl. »Ich habe zwei Wochen vergeudet.«
»Und irgendjemand hat drei echte Blaupausen.«
»Jemand von uns«, sagte sie. »Militär, CIA oder FBI. Nur ein Profi kann so raffiniert sein.«
Die Zeitung, nicht der Umschlag. Zehn Jahre später lag ich in Maine auf einem Bett und erinnerte mich daran, wie Dominique Kohl getanzt und ein Kerl namens Gorowski langsam und sorgfältig seine Zeitung zusammengefaltet hatte, während er auf die Segelboote im Wasser hinausgeblickt hatte. Die Zeitung, nicht der Umschlag. Das schien noch jetzt irgendwie relevant zu sein. Dies, nicht jenes. Dann dachte ich daran, wie das Dienstmädchen meine Sachen unter dem Reserverad des Saabs versteckt hatte. Wäre dort noch mehr gewesen, hätte Beck es mit dem übrigen Belastungsmaterial auf dem Küchentisch ausgebreitet. Aber die Fußmatten des Saabs waren alt und lose. Wäre ich der Typ, der eine Pistole unter dem Reserverad verbarg, würde ich vielleicht Papiere unter den Fußmatten verstecken. Und mir vielleicht Notizen machen und schriftliche Aufzeichnungen anfertigen.
Ich wälzte mich vom Bett und trat ans Fenster. Der Nachmittag neigte sich seinem Ende zu. Draußen dämmerte es bereits. Der vierzehnte Tag, ein Freitag, war fast vorüber. Ich ging nach unten und dachte dabei an den Saab. Beck durchquerte gerade die Eingangshalle. Er war in Eile. Geistesabwesend. Er ging in die Küche und nahm den Telefonhörer ab. Drückte ihn kurz ans Ohr und hielt ihn dann mir hin.
»Kein Telefon funktioniert mehr«, sagte er.
Ich presste den Hörer ans Ohr und horchte. Aber es gab nichts zu hören. Keinen Wählton, kein Verbindungsrauschen.
»Versuchen Sie’s mal mit Ihrem«, forderte er mich auf.
Ich ging wieder in Dukes Zimmer hinauf. Das interne Telefon funktionierte. Paulie meldete sich beim dritten Klingeln. Ich legte wortlos auf. Aber die Leitung nach außerhalb war mausetot. Während ich den Hörer noch ans Ohr gedrückt hatte, erschien Beck in der offenen Zimmertür.
»Mit dem Tor kann ich sprechen«, sagte ich.
Er nickte.
»Das ist ein separater Stromkreis«, erklärte er. »Die Leitung haben wir selbst gelegt. Aber was ist mit der Verbindung nach draußen?«
»Tot«, antwortete ich.
»Komisch«, sagte er.
Ich legte den Hörer auf. Sah zum Fenster.
»Könnte am Wetter liegen«, meinte ich.
»Nein«, sagte er. Er hielt sein Handy hoch – ein kleines silbernes Nokia. »Das funktioniert auch nicht.«
Er gab es mir. Das Gerät hatte einen winzigen Bildschirm. Die Balkenanzeige am rechten Rand bewies, dass der Akku voll geladen war. Aber die Signalstärkeanzeige war ganz unten. Auf dem Bildschirm verkündeten große schwarze Lettern: No service. Ich gab ihm das Handy zurück.
»Ich muss auf die Toilette«, sagte ich. »Aber ich komme gleich runter.«
Ich sperrte mich ein. Streifte meinen Schuh ab und zog den E-Mail-Sender aus dem Absatz. Drückte auf Power. Auch hier erschien die Anzeige No service. Ich schaltete das Gerät aus und versteckte es wieder im Schuhabsatz. Dann betätigte ich der Form halber die Toilettenspülung und
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