Der Janusmann
stimmt’s? Im Prinzip? Würde er Teresa wirklich etwas Schlimmes antun, ohne zu wissen, dass sie eine Gefahr für sein Geschäft darstellt?«
»Keine Ahnung«, sagte ich.
»Hat er das Dienstmädchen ermordet?«
Ich schüttelte den Kopf. »Das war Quinn.«
»Hast du’s gesehen?«
»Nein.«
»Woher weißt du es dann?«
Ich sah weg.
»Ich habe die Arbeitsweise erkannt«, sagte ich.
Zum vierten Mal in meinem Leben sah ich Sergeant Dominique Kohl eine Woche nach unserem Abend in der Bar. Das Wetter war noch immer drückend heiß. Von den Bermudas her war ein Tropensturm zur Ostküste angekündigt. Ich hatte unzählige Fälle auf meinem Schreibtisch liegen. Es ging um Vergewaltigungen, Morde, Waffendiebstähle und Körperverletzungen. Ich hatte gerade mit einem Kumpel im kalifornischen Fort Irwin telefoniert, der mir erzählte, wenn der Wüstenwind wehe, sei es bei ihnen ganz ähnlich.
Kohl kam in Shorts und einem ärmellosen Top herein. Sie schien nicht zu schwitzen. Unter dem Arm trug sie die Akte, deren Umfang sich inzwischen verachtfacht hatte.
»Der Führungsring muss aus Metall sein«, sagte sie. »Das ist die abschließende Erkenntnis.«
»Tatsächlich?«
»Sie hätten ihn lieber aus Kunststoff hergestellt, aber damit wollten sie nur eine neue Technologie erproben.«
»Okay«, sagte ich.
»Ich versuche Ihnen zu erklären, dass die Konstruktion des Führungsrings abgeschlossen ist. Jetzt können sie sich wichtigeren Details widmen.«
»Haben Sie noch immer eine Schwäche für diesen Gorowski?«
Sie nickte. »Es wäre eine Tragödie, ihn zu verhaften. Er ist ein netter Kerl und ein unschuldiges Opfer. Und letzten Endes leistet er gute Arbeit und ist für die Army nützlich.«
»Was wollen Sie also tun?«
»Das wird schwierig«, antwortete sie. »Ich glaube, ich möchte ihn an Bord holen, damit er dem Erpresser gefälschtes Material liefert. Dann können wir die Ermittlungen weiterführen, ohne zu riskieren, dass tatsächlich etwas Brauchbares in die falschen Hände gelangt.«
»Aber?«
»Das richtige Ding wirkt wenig glaubhaft. Eine verrückte Konstruktion. Das Geschoss gleicht einem riesigen Dartpfeil. Es enthält keine Sprengladung.«
»Wie funktioniert es dann?«
»Durch kinetische Energie, dichtes Material, angereichertes Uran, solches Zeug. Haben Sie als Nebenfach Physik gehabt?«
»Nein.«
»Dann vestehen Sie die Konstruktion ohnehin nicht. Aber ich fürchte, dass der üble Kerl misstrauisch wird, wenn wir am ursprünglichen Entwurf herumpfuschen. Das würde Gorowski gefährden. Oder seine beiden kleinen Mädchen.«
»Sie wollen also echte Blaupausen weitergeben?«
»Ich denke, das müssen wir.«
»Sehr riskant«, gab ich zu bedenken.
»Die Entscheidung liegt bei Ihnen«, sagte sie. »Dafür kriegen Sie Ihr hohes Gehalt.«
»Ich bin Hauptmann«, sagte ich. »Ich würde von Essensgutscheinen leben, wenn ich jemals Zeit fürs Essen fände.«
»Entscheidung?«
»Sind Sie dem üblen Kerl schon auf der Spur?«
»Nein.«
»Sind Sie zuversichtlich, dass der Fall Ihnen nicht entgleitet?«
»Hundertprozentig.«
Ich lächelte. In diesem Augenblick erschien sie mir wie der beherrschteste Mensch, den ich je gesehen hatte. Glänzende Augen, ernster Gesichtsausdruck, Haar hinter die Ohren gestrichen, Khakishorts, knapper Khakitop, Socken und Springerstiefel, sonst überall nur sonnengebräunte Haut.
»Weitermachen«, befahl ich.
»Ich tanze nie«, sagte sie.
»Was?«
»Es hat nicht an Ihnen gelegen«, erklärte sie. »Eigentlich hätte ich gern getanzt. Ihre Aufforderung hat mich gefreut. Aber ich tanze nie mit jemandem.«
»Warum nicht?«
»Nur ein Spleen«, sagte sie. »Ich fühle mich dabei nicht wohl. Ich bewege mich nicht sehr koordiniert.«
»Ich auch nicht.«
»Vielleicht sollten wir das privat üben«, schlug sie vor.
»Getrennt?«
»Persönliche Betreuung ist effektiver«, sagte sie. »Wie bei Alkoholikern.«
Dann zwinkerte sie mir zu und ging hinaus. Ein schwacher Hauch ihres Parfüms blieb in der schwülheißen Luft zurück.
Duffy und ich leerten schweigend unseren Kaffee. Mein rechter Schuh drückte. Er passte nicht richtig. Und er kam mir allmählich wie Fußkette und -kugel eines Sträflings vor. Anfangs war mir die Sache mit dem E-Mail-Sender genial erschienen. Ich erinnerte mich daran, wie ich das Gerät drei Tage zuvor zum ersten Mal in dem von Duke verschlossenen Zimmer herausgeholt hatte. Ich bin drin. Ich war mir wie ein Filmheld vorgekommen. Dann fiel
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