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Der Janusmann

Der Janusmann

Titel: Der Janusmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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Entführung beweist praktisch, dass sein Daddy ein Gangster ist.«
    »Ziemlich weit hergeholt.«
    »Okay, aber sehr plausibel. Und die Entführung ist nie angezeigt worden. Das FBI hat keine Unterlagen darüber. Was sich damals abgespielt hat, ist privat geregelt worden. Und nicht sehr gut. Der Kommilitone sagt, dass Richard Beck ein Ohr fehlt.«
    »Und?«
    Sie gab keine Antwort. Ich beobachtete sie aus dem Augenwinkel heraus. Sie sah gut aus, war groß, schlank und hübsch und trug kein Make-up. Das brauchte sie auch nicht. Es gefiel mir, mich von ihr spazieren fahren zu lassen. Aber sie fuhr mich nicht einfach nur spazieren, sondern brachte mich zu einem bestimmten Ort. Das war offensichtlich.
    »Ich habe Ihre Militärakte studiert«, sagte sie. »Sehr gründlich. Sie sind ein beeindruckender Mann.«
    »Eigentlich nicht«, widersprach ich.
    »Und Sie haben große Füße«, sagte sie. »Auch das ist gut.«
    »Warum?«
    »Sie werden schon sehen.«
    »Sagen Sie’s mir.«
    »Wir sind sehr ähnlich«, sagte sie. »Sie und ich. Wir haben etwas gemeinsam. Ich will an Zachary Beck herankommen, um meine Agentin zurückzukriegen. Sie wollen an ihn herankommen, um Quinn zu finden.«
    »Ihre Agentin ist tot. Nach sieben Wochen wär’s ein Wunder, wenn sie noch lebte. Damit sollten Sie sich abfinden.«
    Sie schwieg.
    »Und ich mache mir nichts aus Quinn.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Doch, das tun Sie«, sagte sie. »Das sehe ich Ihnen an. Es lässt Ihnen keine Ruhe. Er ist eine unerledigte Sache. Und ich vermute, dass Sie ein Mann sind, der unerledigte Dinge hasst.« Sie machte eine kurze Pause. »Außerdem gehe ich immer noch davon aus, dass meine Agentin lebt, und zwar so lange, bis Sie mir das Gegenteil beweisen.«
    »Ich?«
    »Ich kann keinen meiner Leute einsetzen«, erklärte sie. »Das verstehen Sie doch? Aus der Sicht des Justizministeriums ist diese ganze Sache illegal. Deshalb darf nichts von dem, was ich als Nächstes tue, bei uns aktenkundig werden. Und ich vermute, dass Sie ein Mann sind, der sich mit verdeckten Einsätzen auskennt, nichts gegen sie hat, sie vielleicht sogar bevorzugt.«
    »Also?«
    »Ich muss jemanden in Becks Haus einschleusen. Und ich habe beschlossen, dass Sie das sein werden – als mein persönlicher Langstangen-Penetrator.«
    »Wie?«
    »Richard Beck nimmt Sie dorthin mit.«
     
    Sie verließ die Turnpike etwa vierzig Meilen westlich von Boston und fuhr durchs ländliche Massachusetts nach Norden. Wir kamen durch New-England-Dörfer wie aus dem Bilderbuch. Die Vögel sangen. Leute düngten ihren Rasen und beschnitten ihre Büsche. In der Luft hing der Geruch von Holzrauch.
    Wir hielten vor einem Motel, das etwas abseits der Straße lag. Das Gebäude mit dezenter Ziegelverblendung und weiß gestrichenen Balken war makellos gepflegt. Auf dem Parkplatz standen fünf Wagen, alles Dienstautos. Sie blockierten die Zufahrt zu den fünf letzten Zimmern. Im mittleren Raum wartete Steven Eliot mit fünf Männern. Vier hatten ihre Schreibtischstühle aus den eigenen Zimmern mitgebracht. Sie saßen in einem ordentlichen Halbkreis. Duffy führte mich hinein und nickte Eliot zu. Ich konnte mir denken, was das Nicken bedeutete: Ich hab’s ihm gesagt, und er hat nicht abgelehnt. Noch nicht. Sie trat ans Fenster und drehte sich zu uns um. Das Tageslicht hinter ihr bewirkte, dass ihr Gesicht im Schatten lag. Sie räusperte sich. Im Zimmer wurde es still.
    »Okay, alle mal herhören, Leute«, begann sie. »Ich wiederhole nochmals, dies ist ein verdecktes Unternehmen, ein nicht offiziell sanktioniertes, und wir führen es in unserer Freizeit und auf eigene Gefahr durch. Falls jemand aussteigen möchte, braucht er nur zu gehen.«
    Niemand bewegte sich. Niemand ging. Das war ein kluger Schachzug. Er zeigte mir, dass Eliot und sie wenigstens fünf Männer hatten, die für sie durchs Feuer gingen.
    »Uns bleiben weniger als achtundvierzig Stunden«, fuhr sie fort. »Übermorgen fährt Richard Beck zum Geburtstag seiner Mutter nach Hause. Unser Informant sagt, dass er das jedes Jahr tut. Dass er dafür die Vorlesungen schwänzt. Sein Vater schickt ihm einen Wagen mit zwei Leibwächtern, weil der Junge schreckliche Angst vor einer nochmaligen Entführung hat. Diese Angst werden wir uns zunutze machen. Wir schalten die Leibwächter aus und schnappen ihn uns.«
    Sie machte eine Pause. Niemand meldete sich zu Wort.
    »Unser Ziel ist es, in Zachary Becks Haus zu gelangen«, begann sie wieder. »Wir können davon

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