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Der Janusmann

Der Janusmann

Titel: Der Janusmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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ausgehen, dass die vermeintlichen Entführer dort nicht gerade willkommen wären. Deshalb arrangieren wir, dass Reacher den Jungen sofort vor den vermeintlichen Entführern rettet. Diese Sache läuft sehr rasch ab: Entführung, Rettung, aus, fertig. Der Junge fließt vor Dankbarkeit über, und Reacher wird am Herd der Familie Beck wie ein Held empfangen.«
    Die Männer saßen zuerst noch still da. Dann wurden sie unruhig. Der Plan hatte mehr Löcher als ein Emmentaler. Ich hatte Duffy nicht aus den Augen gelassen, doch jetzt starrte ich an ihr vorbei aus dem Fenster. Es gibt Möglichkeiten, die Löcher zu stopfen. Mein Gehirn begann zu arbeiten. Ich fragte mich, wie viele Löcher Duffy selbst schon entdeckt haben mochte und ob sie wusste, dass ich solche Herausforderungen liebte.
    »Unser Publikum besteht aus einer einzigen Person«, sagte sie. »Wichtig ist nur, was Richard Beck denkt. Er allein muss davon überzeugt sein, dass alles real ist.«
    Eliot sah mich an. »Schwachpunkte?«
    »Zwei«, antwortete ich. »Erstens: Wie schalten Sie die Leibwächter aus, ohne sie ernstlich zu verletzen? Ich setze voraus, dass die Sache nicht so realistisch ablaufen soll.«
    »Tempo, Schock, Überraschung«, sagte er. »Das Entführerteam hat Maschinenpistolen mit reichlich Platzpatronen. Und eine Blendgranate. Sobald wir den Jungen aus dem Wagen gezerrt haben, werfen wir die Granate hinein. Viel Gebrüll und Krach. Davon sind die Leibwächter benommen, mehr nicht. Aber der Junge wird glauben, sie seien Hackfleisch.«
    »Okay«, sagte ich. »Aber zweitens hat das Ganze Ähnlichkeit mit Method-Acting, stimmt’s? Ich bin jemand, der zufällig vorbeikommt – und zufällig der Typ Mann, der ihn retten kann. Warum schleppe ich ihn dann nicht einfach zu den Cops? Oder warte, bis die zu uns kommen? Wieso würde ich nicht am Tatort warten, um meine Zeugenaussage zu machen und alle möglichen Erklärungen abzugeben? Warum würde ich ihm sofort anbieten, ihn nach Hause zu fahren?«
    Eliot wandte sich an Duffy.
    »Er wird in panischer Angst sein«, sagte sie. »Er wird Sie darum bitten.«
    »Aber weshalb sollte ich mich darauf einlassen? Was er will, ist unwichtig. Entscheidend ist, was mir logisch erscheint. Denn unser Publikum besteht nicht nur aus einer Person, sondern aus zweien : Richard Beck dort auf der Straße, und Zachary Beck später. Er wird die Sache nachträglich unter die Lupe nehmen. Wir müssen ihn ebenso überzeugen.«
    »Der Junge bittet Sie vielleicht, die Cops aus dem Spiel zu lassen. Wie letztes Mal.«
    »Aber warum sollte ich auf ihn hören? Wäre ich Mr. Normal, würde ich als Erstes an die Cops denken. Ich würde alles genau nach Vorschrift machen wollen.«
    »Er würde darauf bestehen.«
    »Und ich würde ihn ignorieren. Warum sollte ein cleverer, tüchtiger Erwachsener auf einen hysterischen Jungen hören? Das muss Verdacht erregen. Das ist zu zielgerichtet, zu aufgesetzt. Zu direkt . Zachary Beck würde keine Minute brauchen, um das zu durchschauen.«
    »Vielleicht sitzt er bei Ihnen im Wagen, und Sie werden verfolgt.«
    »Dann würde ich geradewegs zum nächsten Polizeirevier fahren.«
    »Scheiße«, sagte Duffy.
    »Das ist immerhin ein Plan«, meinte ich. »Aber wir müssen realistisch denken.«
    Während mein Blick wieder zum Fenster wanderte, sah ich aus dem Augenwinkel Eliot und Duffy zu Boden starren. Sah die fünf Männer unbeweglich dasitzen. Sie schienen eine fähige Gruppe zu sein. Zwei von ihnen waren etwas jünger als ich, groß und blond, zwei andere ungefähr in meinem Alter, unauffällig und durchschnittlich. Einer war viel älter, gebeugt und grauhaarig. Ich dachte lange und angestrengt nach. Entführung, Rettung, Becks Haus. Du musst in Becks Haus gelangen. Weil du Quinn finden musst. Denk an die Langzeitfolgen. Ich betrachtete die Sache zuerst aus der Sicht des Jungen, dann aus der des Vaters.
    »Das ist immerhin ein Plan«, wiederholte ich. »Aber er muss optimiert werden. Also muss ich die Art Kerl sein, die nicht zu den Cops gehen würde. Oder, noch besser, ich muss vor Richard Becks Augen die Art Kerl werden, die nicht zu den Cops gehen kann .«
    »Wie?«, fragte Duffy.
    Ich sah ihr ins Gesicht. »Ich muss jemanden verletzen. Unabsichtlich, im allgemeinen Durcheinander. Einen anderen Passanten. Irgendeinen Unbeteiligten. Durch unglückliche Umstände. Vielleicht überfahre ich jemanden. Eine alte Dame, die mit ihrem Hund Gassi geht. Vielleicht fahre ich sie sogar tot. Ich gerate in Panik

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