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Der Janusmann

Der Janusmann

Titel: Der Janusmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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Sie gab leicht nach. Ich stellte sie auf den Asphalt und schlug mit der Faust in ihre Mitte. Sie gab nur wenig nach, wie man es von einem straff zusammengerollten Teppich erwartete.
    »Das sind bloß Teppiche«, stellte ich fest.
    »Irgendwas unter ihnen?«, fragte Duffy.»Vielleicht sind die hohen Rollen ganz vorn nicht wirklich hoch, weil sie auf etwas stehen.«
    Wir zogen die Teppiche nacheinander heraus und legten sie in der Reihenfolge, in der wir sie wieder würden einordnen müssen, auf den Asphalt. So entstand ein zufälliger Zickzackweg durch den Laderaum. Die hohen Rollen waren genau, was sie zu sein schienen: große Teppiche, eng zusammengerollt, mit Bindfaden verschnürt, auf einem Ende stehend. Unter ihnen war nichts versteckt. Wir kletterten aus dem Fahrzeug und standen vor einem Durcheinander aus Teppichen in der Kälte.
    »Das ist eine Scheinladung«, bemerkte Duffy. »Beck hat sich ausgerechnet, dass Sie irgendwie in den Laderaum gelangen würden.«
    »Schon möglich«, sagte ich.
    »Oder er wollte Sie einfach aus dem Haus haben.«
    »Während er was tut?«
    »Sie überprüfen lässt«, sagte sie. »Um sicherzugehen.«
    Ich sah auf die Uhr. »Wir sollten einladen. Ich muss ohnehin schon wie ein Verrückter fahren.«
    »Ich komme mit«, sagte sie. »Bis wir Eliot einholen, meine ich.«
    Ich nickte. »Das wäre gut. Wir haben einiges zu besprechen.«
    Wir stellten die Teppichrollen wieder hinein, bearbeiteten sie mit Fußtritten und schoben sie zurecht, bis sie wieder in ihrer ursprünglichen Position standen. Dann zog ich das Rolltor herunter, und der Alte machte sich mit seinem Lötkolben an die Arbeit. Er steckte den Draht wieder durch die Ösen und brachte die geschmolzenen Enden dicht zusammen. Dann erhitzte er den Lötkolben, überbrückte die Lücke mit der Spitze und berührte das heiße Metall mit dem Lötdraht. Die Lücke füllte sich mit einem großen silbernen Metallklumpen. Er war viel zu groß und hatte die falsche Farbe.
    »Keine Sorge«, beruhigte uns der Alte.
    Er benutzte die Lötkolbenspitze wie einen winzigen Pinsel und trug damit den Klumpen mehr und mehr ab. Zwischendurch schlenzte er das überschüssige Metall mit einer raschen Bewegung weg. Er arbeitete sehr behutsam. Dafür brauchte er drei lange Minuten, aber als er fertig war, sah alles wieder so aus wie zuvor. Er ließ die Stelle etwas abkühlen und blies dann kräftig darauf. Der helle Silberton verwandelte sich augenblicklich in ein stumpfes Bleigrau. Damit war die Reparatur mit bloßem Auge praktisch nicht mehr zu sehen.
    »Okay«, sagte ich. »Sehr gut. Aber das müssen Sie noch mal machen. Ich muss einen anderen Lastwagen zurückfahren. Den sollten wir uns vorsichtshalber auch ansehen. Dazu treffen wir uns auf dem ersten Rastplatz nach Portsmouth, New Hampshire, in Richtung Norden.«
    »Wann?«
    »In fünf Stunden.«
     
    Duffy und ich fuhren so schnell nach Süden weiter, wie es der alte Lastwagen verkraftete. Viel schneller als siebzig lief er einfach nicht. Aber das reichte. Ich hatte ein paar Minuten Luft.
    »Haben Sie sein Büro gesehen?«, fragte sie.
    »Noch nicht. Aber das müssen wir noch inspizieren. Tatsächlich sollten wir seinen ganzen Betrieb im Hafen unter die Lupe nehmen«, antwortete ich.
    »Daran arbeiten wir schon«, sagte Duffy. »Zum Glück herrscht in Portland keine allzu große Hektik. In der Liste der US-Hafenstädte steht es erst an vierundvierzigster Stelle. Ungefähr vierzehn Millionen Tonnen Einfuhrgüter pro Jahr. Das sind pro Woche etwa eine Viertelmillion Tonnen. Davon scheinen etwa zehn in zwei oder drei Containern an Beck zu gehen.«
    »Kontrolliert der Zoll seine Einfuhren?«
    »Nicht mehr und nicht weniger als die anderer Firmen. Im Augenblick liegt die Kontrollhäufigkeit bei ungefähr zwei Prozent. Bekommt er im Jahr hundertfünfzig Container, werden vielleicht drei davon kontrolliert.«
    »Wie macht er’s also?«
    »Er könnte das Risiko, dass etwas gefunden wird, dadurch minimieren, dass nur jeder zehnte Container Schmuggelware enthält. Das würde die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, auf null Komma zwei Prozent verringern. Damit könnte er jahrelang durchkommen.«
    »Er kommt schon jahrelang durch. Also muss er jemanden bestechen.«
    Sie nickte, schwieg.
    »Können Sie Sonderkontrollen veranlassen?«, erkundigte ich mich.
    »Nicht ohne begründeten Verdacht«, entgegnete sie. »Vergessen Sie nicht, dass wir inoffiziell arbeiten. Wir würden handfeste Beweise brauchen. Und

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