Der Janusmann
Leute«, vermutete ich.
»Nein, sie sind auf der Route One«, sagte Duffy.»Das ist die einzige Möglichkeit. Sie verläuft die ganze Küste entlang parallel zur I-95. Von Portland bis tief nach Süden hinunter. Der Abstand dürfte meist weniger als zwei Meilen betragen.«
Wir wandten uns wieder nach Osten, als könnten wir durch die Bäume einen Wagen erkennen, der mit laufendem Motor auf dem Seitenstreifen der parallel verlaufenden Route One stand.
»So würde ich’s machen«, meinte Duffy.
Ich nickte. Das war eine sehr plausible Erklärung. Natürlich hatte es technische Nachteile. Bei Abständen von bis zu zwei Meilen musste jede verkehrsbedingte Beschleunigung oder Verzögerung bewirken, dass das Signal schwächer oder gar nicht zu hören war. Andererseits wollten die Überwacher nur wissen, in welche Richtung ich fuhr.
»Möglich«, sagte ich.
»Nein, sogar wahrscheinlich«, erklärte Eliot. »Duffy hat natürlich Recht. Das ist nur vernünftig. Sie wollen möglichst lange nicht in Ihrem Rückspiegel auftauchen.«
Ich nickte wieder. »Jedenfalls müssen wir davon ausgehen, dass sie irgendwo in der Nähe sind. Wie lange verläuft die Route One parallel zur I-95?«
»Ewig«, antwortete Duffy. »Viel weiter als bis New London, Connecticut. Sie trennen sich vor Boston, kommen dann aber wieder zusammen.«
»Okay«, sagte ich. Sah auf meine Uhr. »Ich bin jetzt ungefähr neun Minuten hier. Lange genug, um auf die Toilette zu gehen und eine Tasse Kaffee zu trinken. Wird Zeit, dass der Sender wieder auf die Straße kommt.«
Ich forderte Eliot auf, das kleine Gerät auf den Beifahrersitz von Duffys Taurus zu legen und mit nicht mehr als fünfzig Meilen in gleichmäßigem Tempo nach Süden zu fahren. Irgendwo vor New London würde ich ihn mit dem blauen Kastenwagen einholen, erklärte ich ihm. Darüber, wie der Sender wieder an seinen richtigen Platz kam, würde ich mir später den Kopf zerbrechen. Eliot fuhr los, und ich blieb allein mit Duffy zurück. Wir beobachteten, wie ihr Wagen nach Süden davonrollte, und wandten uns dann nach Norden um, damit wir die Zufahrt im Auge behalten konnten. Mir blieben noch eine Stunde und eine Minute, und ich benötigte dringend einen Lötkolben. Die Zeit verrinnt.
»Wie ist’s dort droben?«, erkundigte sich Duffy.
»Ein Albtraum«, antwortete ich. Ich berichtete ihr von der zweieinhalb Meter hohen Granitmauer, dem Bandstacheldraht, dem massiven Eisentor, den Türrahmen mit Metalldetektoren und den Zimmertüren ohne Schlüsselloch. Und ich erzählte ihr von Paulie.
»Irgendeine Spur von meiner Agentin?«, fragte sie.
»Ich bin doch erst kurz dort«, erwiderte ich.
»Sie müssen zusehen, dass Sie Fortschritte machen«, sagte sie. »Jede Stunde, die Sie dort verbringen, bringt Sie mehr in Gefahr.«
»Das weiß ich.«
»Wie ist Beck persönlich?«
»Nicht ganz dicht«, sagte ich. Ich erzählte ihr von den Fingerabdrücken an dem Whiskyglas, davon, wie er den Maxima hatte verschwinden lassen, und von dem russischen Roulett.
»Sie haben’s gespielt?«
»Sechsmal«, sagte ich und sah die Zufahrt entlang.
Duffy starrte mich an. »Sie sind verrückt! Sechs zu eins, da müssten Sie tot sein.«
Ich lächelte. »Haben Sie’s schon mal gespielt?«
»Das täte ich nie. Auf so was kann ich verzichten.«
»Sie denken wie die meisten Leute. Das hat auch Beck getan. Er hat geglaubt, die Chancen stünden sechs zu eins. Aber sie stehen eher sechshundert zu eins. Oder sechstausend. Lädt man eine präzise gefertigte, gut gepflegte Waffe wie diese Anaconda mit einer einzelnen schweren Patrone, wär’s geradezu ein Wunder, wenn die Trommel so stehen bliebe, dass die Patrone oben ist. Stattdessen sinkt sie durch ihr Gewicht unweigerlich nach unten. Präzisionsmechanismus, etwas Waffenöl, die Schwerkraft hilft mit. Ich bin schließlich kein Idiot. Russisches Roulett ist viel sicherer, als die meisten Leute denken. Und es hat sich gelohnt, das Risiko einzugehen, um angestellt zu werden.«
Sie schwieg eine Weile.
»Was halten Sie von ihm?«, fragte sie dann.
»In seinem Haus sieht’s wie bei einem Teppichimporteur aus«, antwortete ich. »Überall liegen Teppiche rum – teils doppelt übereinander.«
»Aber?«
»Aber er ist keiner«, sagte ich. »Darauf würde ich meine Pension verwetten. Ich habe ihn nach Teppichen gefragt, und er hat nicht den Eindruck gemacht, als verstünde er allzu viel davon.«
»Sie bekommen eine Pension?«
»Nein«, sagte ich.
In diesem
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