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Der Janusmann

Der Janusmann

Titel: Der Janusmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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»Meistens aus Pakistan. Wir lassen dort zweihundert Jahre alte Perserteppiche weben. Die Leute fallen auf alles herein.«
    »Tatsächlich?«
    Er schaute mich an und nickte. »Sie sehen nur, was sie sehen möchten.«
    »Wirklich?«
    »Das tun sie dauernd.«
    Ich blickte zur Seite. Es gab wieder keinen Kaffee. Nach einiger Zeit merkt man, dass Koffein süchtig macht. Ich war gereizt und müde.
    »Was machen Sie heute?«, fragte er.
    »Keine Ahnung«, erwiderte ich.
    »Ich werde viel lesen«, sagte er. »Vielleicht einen kleinen Spaziergang unternehmen. Am Strand, um zu sehen, ob was angetrieben worden ist.«
    »Dort werden Dinge angeschwemmt?«
    »Manchmal. Zeug, das von Schiffen und Jachten fällt, wissen Sie.«
    Ich sah ihn an. Wollte er mir etwas mitteilen? Ich hatte von Schmugglern gehört, die an einsamen Küsten Marihuanaballen an Land treiben ließen. Wahrscheinlich hätte das auch mit Heroin funktioniert. Wollte er mir etwas mitteilen? Oder warnte er mich? Wusste er von meinem Versteck? Und was hatte das ganze Gerede von dem toten Cop zu bedeuten? Psychogeschwafel? Oder spielte er irgendein Spiel mit mir?
    »Aber die beste Zeit dafür ist der Sommer«, sagte er. »Im Augenblick ist’s noch zu kalt für Jachten. Also bleibe ich wohl besser im Haus. Vielleicht male ich etwas.«
    »Sie malen?«
    »Ich bin Kunststudent«, erklärte er. »Das habe ich Ihnen erzählt.«
    Ich nickte. Starrte den Hinterkopf der Köchin an, als könnte ich ihr telepathisch befehlen, Kaffee zu kochen. Dann kam Duke in die Küche. Er legte eine Hand auf die Lehne meines Stuhls und die andere flach auf den Tisch. Beugte sich tief hinunter, als müsse er vertraulich mit mir reden.
    »Dein Glückstag, Arschloch«, sagte er.
    Ich schwieg.
    »Du fährst Mrs. Beck«, sagte er. »Sie will Einkäufe machen.«
    »Wo?«
    »Irgendwo«, antwortete er.
    »Den ganzen Tag?«
    »Das wollen wir schwer hoffen.«
    Ich nickte. Traut dem Fremden nicht, wenn eine Lieferung kommt.
    »Nimm den Cadillac«, befahl Duke. Er ließ die Schlüssel auf den Tisch fallen. »Sorg dafür, dass sie nicht zu früh zurückkommt.«
    Oder traut Mrs. Beck nicht, wenn eine Lieferung kommt.
    »Okay«, sagte ich.
    »Du wirst merken, dass das sehr interessant ist«, meinte er. »Vor allem der erste Teil. Mir bringt er jedenfalls einen gewaltigen Kick – jedes Mal wieder.«
    Ich hatte keine Ahnung, wovon er redete, und verlor keine Zeit damit, darüber zu spekulieren. Ich starrte nur weiter die leere Kaffeekanne an. Dann ging Duke, und ich hörte einen Augenblick später, wie die Haustür geöffnet wurde und wieder ins Schloss fiel. Der Metalldetektor piepste zweimal. Duke und Beck, Waffen und Schlüssel. Richard stand vom Tisch auf und schlenderte hinaus. Ich blieb mit der Köchin allein zurück.
    »Haben Sie Kaffee?«, fragte ich.
    »Nein«, entgegnete sie.
    Ich saß noch eine Weile da, bis mir einfiel, ein pflichtbewusster Chauffeur habe wohl bereitzustehen. Also verließ ich die Küche durch die Hintertür. Wegen der Autoschlüssel piepste der Metalldetektor. Die Flut hatte ihren Höchststand erreicht, die Luft war kalt und frisch. Ich konnte Salz und Seetang riechen. Ich ging zum Garagenblock, ließ den Motor des Cadillacs an und stieß rückwärts aus der Garage. Fuhr bis vor die Haustür und wartete mit laufendem Motor, damit der Wagen warm wurde. Blickte ich nach Nordosten, konnte ich an der Kimm winzige Schiffe erkennen, die nach Portland einliefen oder von dort kamen. Ich fragte mich, ob eines von ihnen Becks Lieferung brachte. Oder hatte sein Schiff bereits am Kai festgemacht und wurde nun entladen? Ging ein Zollbeamter schon mit einem Bündel knisternder neuer Geldscheine in der Tasche daran vorbei und hielt auf das nächste Schiff zu?
    Zehn Minuten später trat Elizabeth Beck aus dem Haus. Sie trug einen knielangen Schottenrock und einen dünnen weißen Kaschmirpullover mit einer Wolljacke darüber. Ihre Beine waren nackt. Keine Strumpfhose. Ihr Haar hatte sie mit einem Gummiband zusammengefasst. Sie schien zu frieren. Sie wirkte trotzig, resigniert und besorgt. Wie eine Adlige auf dem Weg zum Schafott. Ich vermutete, dass sie es gewöhnt war, mit Duke zu fahren. Dass sie darunter litt, mit dem Copkiller vorlieb nehmen zu müssen. Ich stieg aus und kam um den Wagen herum, um ihr die hintere Tür zu öffnen. Aber sie ging daran vorbei.
    »Ich sitze vorn«, belehrte sie mich.
    Sie nahm auf dem Beifahrersitz Platz, und ich glitt wieder hinters Lenkrad.
    »Wohin?«,

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