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Der Janusmann

Der Janusmann

Titel: Der Janusmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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fragte ich höflich.
    Sie starrte aus dem Fenster.
    »Das erfahren Sie, wenn wir durchs Tor sind«, sagte sie.
    Das Eisentor war geschlossen. Paulie stand genau davor. Er wirkte riesiger als je zuvor. Seine Arme und Schultern sahen aus, als hätte er Tennisbälle in seinen Anzug gestopft. Sein Gesicht war von der Kälte gerötet. Er hatte auf uns gewartet. Ich hielt zwei Meter vor ihm. Paulie machte keine Anstalten, das Tor zu öffnen. Ich starrte ihn an. Er ignorierte mich und ging zu Elizabeth Becks Fenster. Grinste sie an, klopfte mit einem Fingerknöchel an die Scheibe und machte eine Handbewegung, als kurbelte er sie herunter. Sie starrte nach vorn, bemüht, ihn zu ignorieren. Er klopfte wieder an die Scheibe. Diesmal drehte sie den Kopf zur Seite und schaute ihn an. Er zog die Augenbrauen hoch, machte nochmals die Kurbelbewegung. Sie fuhr zusammen. Sie starrte auf ihren Zeigefinger, legte ihn dann auf die Taste, mit der das elektrische Fenster bedient wurde. Die Scheibe fuhr summend herunter. Paulie ging in die Hocke und stützte den rechten Unterarm auf die Gummidichtungen.
    »Guten Morgen«, sagte er.
    Er beugte sich herein und berührte ihre Wange mit dem Rücken seines Zeigefingers. Sie bewegte sich nicht. Starrte nur angestrengt geradeaus. Er strich eine Haarsträhne hinter ihr Ohr zurück.
    »Ihr Besuch letzte Nacht hat mir viel Spaß gemacht«, sagte er.
    Sie fuhr erneut zusammen. Als sei ihr schrecklich kalt. Er bewegte seine Hand, legte sie auf ihre Brust. Umfasste sie. Drückte sie. Sie saß still, ließ es sich gefallen. Ich betätigte die Taste auf meiner Seite. Ihre Scheibe kam summend nach oben. Dann stieß sie gegen Paulies riesigen Arm, und die Sicherheitsautomatik ließ es wieder herunterfahren. Ich öffnete meine Tür und stieg aus. Ging um die Motorhaube herum. Paulie befand sich immer noch in der Hocke. Seine Hand war weiter im Wagen. Sie hatte sich etwas tiefer nach unten bewegt.
    »Hau ab«, forderte er mich auf, ohne sie aus den Augen zu lassen.
    Ich kam mir vor wie ein Holzfäller, der ohne Axt oder Kettensäge vor einem Mammutbaum steht. Wo soll ich anfangen? Ich trat ihn in die Niere. Das war die Art Tritt, die einen Football aus dem Stadion bis auf den Parkplatz befördert hätte. Er hätte ausgereicht, um die meisten Kerle ins Krankenhaus oder zu Tode zu bringen. Auf Paulie wirkte er sich ungefähr so aus, als hätte ich ihm höflich auf die Schulter geklopft. Er gab keinen Laut von sich, legte nur beide Hände auf den Fensterrahmen und stemmte sich hoch. Drehte sich zu mir um.
    »Nicht aufregen, Major«, sagte er. »Ist nur meine Art, der Lady guten Morgen zu sagen.«
    Dann ging er um mich herum und sperrte das Tor auf. Ich ließ ihn nicht aus den Augen. Er gab sich ruhig und gelassen. Zeigte keinerlei Reaktion. Als hätte ich ihn überhaupt nicht berührt. Ich wartete und ließ die Wirkung des Adrenalins abklingen. Dann betrachtete ich den Wagen. Um den Kofferraum herumzugehen, hätte besagt: Ich habe Angst vor dir. Also marschierte ich um die Motorhaube herum. Aber ich achtete darauf, außerhalb seiner Reichweite zu bleiben. Er versuchte nicht, mich anzugreifen. Zog nur das Tor ganz auf und wartete geduldig, es wieder schließen zu können.
    »Über den Tritt unterhalten wir uns später, okay?«, rief er mir zu.
    Ich gab keine Antwort.
    »Und lass dich nicht täuschen, Major«, fügte er hinzu. »Sie mag das.«
    Ich setzte mich wieder ans Steuer. Elizabeth Beck hatte inzwischen ihr Fenster geschlossen. Sie starrte angestrengt nach vorn: blass, schweigsam und gedemütigt. Ich fuhr durchs Tor Richtung Westen. Beobachtete Paulie im Rückspiegel. Er schloss das Tor und ging ins Wachhäuschen zurück.
    »Tut mir Leid, dass Sie das sehen mussten«, sagte Elizabeth ruhig.
    Ich sagte nichts.
    »Und ich danke Ihnen für Ihr Eingreifen«, fuhr sie fort. »Aber es wird nichts nützen. Ich fürchte, Sie werden deswegen große Unannehmlichkeiten bekommen. Er hasst Sie bereits, wissen Sie. Und er ist nicht sehr vernünftig.«
    Ich sagte nichts.
    »Es handelt sich natürlich darum, Kontrolle auszuüben«, sagte sie, als erkläre sie sich diese Sache selbst. Als rede sie gar nicht mit mir. »Das Ganze ist eine Machtdemonstration. Mehr steckt nicht dahinter. Um Sex geht’s dabei nie. Dazu ist er nicht imstande. Zu viele Steroide, vermute ich. Er begrapscht mich nur.«
    Ich sagte nichts.
    »Ich muss mich vor ihm ausziehen«, sagte sie. »Er lässt mich nackt vor sich auf und ab gehen. Begrapscht

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