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Der Janusmann

Der Janusmann

Titel: Der Janusmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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ihn erhoben worden. Wegen irgendeiner Korruptionsaffäre. Und wegen Mordverdachts, der sich jedoch nicht beweisen ließ. Aber er hat trotzdem eine vierjährige Haftstrafe verbüßt.«
    »Personenbeschreibung?«
    »Weiß, ungefähr deine Größe«, erwiderte sie. »Dem Foto nach ist er allerdings hässlicher.«
    »Das stimmt«, sagte ich.
    Sie scrollte weiter. Las den Rest des Berichts.
    »Nimm dich vor ihm in Acht«, warnte sie mich. »Er scheint ein gefährlicher Mensch zu sein.«
    »Keine Sorge«, sagte ich. Dann überlegte ich, ob ich sie zum Abschied küssen sollte. Aber ich ließ es bleiben und rannte zum Cadillac hinaus.
     
    Als Elizabeth Beck auftauchte, saß ich wieder im Coffeeshop und hatte meine zweite Tasse Kaffee fast ausgetrunken. Sie trug nichts bei sich, das auf einen Einkaufsbummel hinwies. Keine Päckchen oder bunten Tragetaschen. Sie ignorierte mich und ging geradewegs an die Theke. Ließ sich einen großen Milchkaffee geben und kam dann an meinen Tisch. Ich hatte mir inzwischen überlegt, was ich ihr erzählen würde.
    »Ich bin kein Federal Agent«, begann ich.
    »Dann bin ich enttäuscht«, sagte sie zum dritten Mal.
    »Wie könnte ich einer sein?«, fragte ich. »Ich habe einen Cop erschossen, erinnern Sie sich?«
    »Ja«, sagte sie.
    »So was tun Federal Agents nicht.«
    »Vielleicht doch«, meinte sie. »Zufällig.«
    »Aber sie würden anschließend nicht flüchten«, erwiderte ich, »sondern bleiben und die Konsequenzen daraus ziehen.«
    Sie verharrte eine Weile in Schweigen. Trank ihren Kaffee mit kleinen Schlucken.
    »Ich bin acht- oder zehnmal dort gewesen«, sagte sie. »Im College, meine ich. Manchmal finden Veranstaltungen für die Familien der Studenten statt, und ich versuche, zu Anfang und Ende jedes Semesters dort zu sein. Einmal habe ich sogar einen Kleintransporter gemietet und ihm geholfen, sein Zeug nach Hause zu schaffen.«
    »Und?«
    »Das College ist ziemlich klein«, fuhr sie fort. »Aber trotzdem ist dort zu Semesterbeginn die Hölle los. Viele Eltern und Studenten, Geländewagen, Limousinen, Vans, dichter Verkehr. Die Familientage sind noch schlimmer. Und wissen Sie was?«
    »Was?«
    »Ich habe dort noch nie einen städtischen Polizeibeamten gesehen. Keinen einzigen. Und erst recht keinen Kriminalbeamten in Zivil.«
    Ich sah aus dem Fenster auf die überdachte Ladenstraße.
    »Wahrscheinlich nur ein Zufall«, sagte sie. »Ein beliebiger Dienstagmorgen im April, ziemlich früh am Tag, nichts Besonderes los … und dann steht ein Kriminalbeamter ohne erkennbaren Grund am Collegetor.«
    »Worauf wollen Sie hinaus?«, fragte ich.
    »Dass Sie schreckliches Pech gehabt haben«, antwortete sie. »Ich meine, wie hoch war die Wahrscheinlichkeit?«
    »Ich bin kein Federal Agent«, wiederholte ich.
    »Sie haben geduscht«, stellte sie fest. »Und sich die Haare gewaschen.«
    Tatsächlich?«
    »Das kann ich sehen und riechen. Billige Seife, billiges Haarwaschmittel.«
    »Ich war in der Sauna.«
    »Sie hatten kein Geld. Ich habe Ihnen zwanzig Dollar gegeben. Sie haben mindestens zwei Kaffee getrunken. Also hatten Sie vielleicht vierzehn Dollar.«
    »Es war eine billige Sauna.«
    »Das muss sie wohl gewesen sein.«
    »Ich bin nur irgendein Kerl«, sagte ich wieder.
    »Und ich bin deswegen enttäuscht.«
    »Sie reden, als wollten Sie, dass Ihr Mann auffliegt.«
    »Das will ich.«
    »Er würde ins Gefängnis kommen.«
    »Er lebt schon in einem Gefängnis. Und er hat nichts anderes verdient. Aber in einem richtigen Gefängnis wäre er freier als jetzt.«
    »Sie könnten jemanden um Hilfe bitten«, sagte ich. »Sie brauchen nicht zu warten, bis sie zu Ihnen kommen.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Das wäre Selbstmord. Für mich und Richard.«
    »Nicht anders, als wenn Sie vor anderen Leuten in dieser Art über mich reden würden. Denken Sie daran, dass ich mich nicht einfach ergeben werde. Leute könnten zu Schaden kommen. Vielleicht Sie und Richard.«
    Sie lächelte. »Wollen Sie wieder mit mir feilschen?«
    »Ich will Sie nur warnen«, antwortete ich. »Damit’s keine Unklarheiten gibt.«
    Sie nickte.
    »Ich kann den Mund halten«, entgegnete sie und bewies es mir dann, indem sie kein Wort mehr sagte. Wir leerten schweigend unseren Kaffee und gingen dann zum Auto zurück. Auch unterwegs sprachen wir kein Wort. Während ich sie in nordöstlicher Richtung nach Hause fuhr, wusste ich nicht, ob ich eine tickende Zeitbombe neben mir sitzen hatte oder die einzige Verbündete, die ich jemals

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