Der Janusmann
völlig entspannt und sah mich an.
»Soll das ein Witz sein?«, fragte er. »Haben Sie das Wetter gesehen?«
Ich nickte.
»Echt scheußlich«, erwiderte ich.
»Ich fahre nicht ins College zurück«, sagte er.
»Warum?«
»Wegen gestern Abend«, antwortete er. »Wegen des Hinterhalts. Diese Kerle aus Connecticut sind weiter auf freiem Fuß. Ich wäre dort nicht sicher. Also bleibe ich eine Zeit lang hier.«
»Das macht Ihnen nichts aus?«
»Nein, mein Studium war größtenteils Zeitverschwendung.«
Ich sah weg. Das Gesetz unbeabsichtigter Folgen. Ich war schuld daran, dass der Junge seine Ausbildung abbrach. Vielleicht hatte ich damit sein Leben ruiniert. Andererseits war ich kurz davor, seinen Vater hinter Gitter zu bringen oder ihn gleich umzulegen. Im Vergleich dazu war ein Bachelor of Arts nicht weiter wichtig, vermutete ich.
Ich zog los, um Elizabeth Beck zu suchen. Ihre Reaktion würde schwerer zu deuten sein. Ich fand sie im Salon in der Nordwestecke des Hauses, wo sie in einem Sessel saß. Auf ihrem Schoß lag ein aufgeschlagenes Buch, Dr. Schiwago von Boris Pasternak. Die Taschenbuchausgabe. Ich hatte den Film gesehen. Ich erinnerte mich an Julie Christie und die Musik. Laras Thema. Zugfahrten. Und viel Schnee. Irgendein Mädchen hatte mich in diesen Film geschleppt.
»Sie sind keiner«, sagte sie.
»Was bin ich nicht?«
»Sie sind kein staatlicher Agent.«
Ich atmete auf. Das hätte sie nicht gesagt, wenn sie auf mein Waffenversteck gestoßen wäre.
»Richtig«, sagte ich. »Ihr Mann hat mir gerade eine Pistole gegeben.«
»Sie sind nicht clever genug, um ein staatlicher Agent zu sein.«
»Warum nicht?«
Sie schüttelte den Kopf. »Richard hat vorhin nach einer Tasse Kaffee gegiert. Als wir reingekommen sind.«
»Und?«
»Glauben Sie, dass er das getan hätte, wenn wir wirklich frühstücken gewesen wären?«
»Wo waren Sie dann?«
»Wir waren zu einer Besprechung beordert.«
»Mit wem?«
Sie schüttelte den Kopf, als bringe sie den Namen nicht über die Lippen.
»Paulie hat uns nicht angeboten, uns zu fahren«, sagte sie. »Er hat uns kommen lassen. Richard musste im Auto warten.«
»Sie durften mit hinein?«
Sie nickte. »Dort arbeitet ein Kerl namens Troy.«
»Dämlicher Name«, sagte ich.
»Aber ein sehr cleverer Typ«, meinte sie. »Er ist jung und versteht unglaublich viel von Computern. Man könnte ihn als Hacker bezeichnen, denke ich.«
»Und?«
»Er hatte sich teilweise Zugang zu einem der staatlichen Netze in Washington verschafft und rausgekriegt, dass hier ein Federal Agent eingeschleust wurde. Ursprünglich wurden Sie verdächtigt. Aber eine nähere Überprüfung hat ergeben, dass es sich um eine Frau handelt.«
Ich starrte sie verständnislos an. Teresa Daniel war inoffiziell hier. Die staatlichen Computer wissen nichts von ihr. Dann erinnerte ich mich an Duffys Laptop mit dem Emblem des Justizministeriums als Bildschirmschoner. Ich erinnerte mich an das Modemkabel, das über den Schreibtisch führte, durch den komplexen Adapter lief, in der Wand verschwand und so die Verbindung zu sämtlichen anderen Computern der Welt herstellte. Hatte Duffy etwa private Berichte geschrieben? Zur eigenen Verwendung? Um sich nach Abschluss dieses Unternehmens rechtfertigen zu können?
»Ich mag mir nicht vorstellen, was sie tun werden«, sagte Elizabeth. »Was sie einer Frau antun werden.«
Sie schauderte und sah weg. Ich kam bis in die Eingangshalle. Dann blieb ich abrupt stehen. Es gab kein Auto, und vor mir lagen zwölf Meilen Straße, bevor ich überhaupt die Möglichkeit hatte, irgendwohin zu gelangen. Drei Stunden bei flotter Gehweise. Zwei Stunden, wenn ich rannte.
»Vergessen Sie’s!«, rief Elizabeth mir nach. »Hat nichts mit Ihnen zu tun.«
Ich drehte mich um und starrte sie an.
»Vergessen Sie’s«, wiederholte sie. »Was mit ihr geschehen soll, geschieht gerade. Es ist hoffentlich bald vorbei.«
Das zweite Mal, dass ich Sergeant First Class Dominique Kohl jemals sah, war am dritten Tag ihrer Tätigkeit für mich. Sie trug die grüne Hose eines Arbeitsanzugs und dazu ein khakifarbenes T-Shirt. An diesem Tag war es sehr heiß. Daran erinnere ich mich. Wir hatten eine ungeheure Hitzewelle. Ihre Arme waren von der Sonne gebräunt. Sie schwitzte nicht. Das T-Shirt sah großartig aus. Unter ihrem linken Arm steckte die Akte, die ich ihr gegeben hatte. Wegen der eingehefteten Notizen war sie etwas dicker geworden.
»Ich bräuchte einen Partner«, erklärte
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