Der Janusmann
zurück. Man hätte glauben können, hier sei nie etwas geschehen. Als ob es die Tote nie gegeben hätte. Harley richtete sich unbeholfen auf und zog den Reißverschluss des leeren Leichensacks zu. Wasser schwappte heraus und lief über die Felsen ab. Er machte sich daran, den Gummisack aufzurollen. Ich drehte mich zum Haus um. Beck stand an der Küchentür, allein, und beobachtete uns.
Wir gingen, von Regen und Salzwasser durchnässt, ins Haus zurück. Beck verschwand wieder in der Küche. Wir folgten ihm hinein. Harley lungerte in der Nähe der Tür herum, als spüre er, dass er hier nichts verloren hatte.
»Sie war ein Federal Agent?«, fragte ich.
»Eindeutig«, sagte Beck.
Seine Sporttasche stand mitten auf dem Küchentisch, auffällig, wie ein Beweismittel der Staatsanwaltschaft in einem Gerichtssaal. Er zog den Reißverschluss auf und wühlte in der Tasche herum.
»Sehen Sie sich das an«, sagte er.
Er nahm ein Bündel heraus, legte es auf den Tisch, zog den Stoff auseinander und nahm Duffys Glock 19 heraus.
»Das alles war in dem Wagen versteckt, den sie benutzen durfte«, sagte er.
»In dem Saab?«, fragte ich, weil ich irgendetwas sagen musste.
Er nickte. »Im Stauraum fürs Reserverad. Unter dem Kofferraumboden.« Er legte die Glock auf den Tisch, wickelte zwei Reservemagazine aus dem Lappen und legte sie daneben. Danach folgten die abgebogene Ahle und das geschärfte Stemmeisen. Und Angel Dolls Schlüsselring.
Ich bekam kaum noch Luft.
»Diese Ahle ist ein Dietrich, nehme ich an«, sagte Beck.
»Wie beweist das alles, dass sie ein Federal Agent war?«, wollte ich wissen.
Er nahm die Glock vom Tisch, drehte sie um und wies auf die rechte Seite des Schlittens.
»Fabriknummer«, sagte er. »Wir haben bei Glock in Österreich nachgefragt. Über Computer. Wir haben Zugang zu solchen Informationen. Diese Pistole wurde vor ungefähr einem Jahr an die US-Regierung verkauft. Im Rahmen einer großen Lieferung für Federal Agents, das Modell 17 für Männer, das Modell 19 für Frauen. Daher wissen wir, dass sie ein Federal Agent war.«
Ich starrte die Fabriknummer an. »Hat sie’s geleugnet?«
Er nickte. »Natürlich. Sie hat behauptet, sie hätte das Zeug eben erst gefunden. Hat lang und breit darüber geredet. Tatsächlich hat sie versucht, Sie anzuschwärzen. Hat behauptet, dies seien Ihre Sachen. Aber sie leugnen natürlich immer, stimmt’s? Dafür sind sie ausgebildet, vermute ich.«
Ich sah weg, starrte durchs Küchenfenster aufs Meer hinaus. Warum hat sie alles mitgenommen? Warum hat sie es nicht einfach liegen gelassen?
»Sie sehen bestürzt aus«, stellte Beck fest.
Und wie hat sie es überhaupt gefunden?
»Sie sehen bestürzt aus«, wiederholte er.
Ich war viel mehr als nur bestürzt. Sie war unter Qualen gestorben. Und ich war schuld an ihrem Tod.
»Ich bin hier für Sicherheit zuständig«, sagte ich. »Ich hätte sie verdächtigen müssen.«
»Das sind Sie erst seit gestern Abend«, erklärte Beck. »Machen Sie sich also deswegen keine Vorwürfe. Es wäre Dukes Aufgabe gewesen, sie zu enttarnen.«
»Aber ich hätte sie nie verdächtigt«, sagte ich. »Ich hab sie nur für das Dienstmädchen gehalten.«
»Hey, ich auch«, sagte er. »Duke ebenfalls.«
Ich starrte wieder auf das stürmische Meer hinaus und konnte es noch immer nicht begreifen. Sie hat die Sachen gefunden. Aber warum hat sie sie so gut versteckt?
»Das hier ist der endgültige Beweis«, sagte Beck.
Ich wandte mich ihm zu und beobachtete, wie er ein Paar Schuhe aus der Sporttasche zog. Schwere, schwarze, klobige Dinger, die sie immer getragen hatte.
»Sehen Sie sich das an«, sagte er.
Er legte den rechten Schuh auf die Seite und zog mit den Fingernägeln einen Stift aus dem Gummiabsatz. Dann drehte er den Absatz wie eine kleine Tür und hielt den Schuh wieder richtig herum. Schüttelte ihn etwas. Ein kleines schwarzes Plastikrechteck fiel klappernd auf den Tisch. Es landete mit dem Gesicht nach unten. Er drehte es um.
Vor mir lag ein winziger E-Mail-Sender, exakt mit meinem Gerät identisch.
Beck hielt mir den Schuh hin. Ich griff danach. Starrte ihn verständnislos an. Ein Damenschuh in Größe sechs. Für einen kleinen Fuß gemacht. Aber er war vorn ziemlich breit und hatte deshalb einen Blockabsatz, um das optische Gleichgewicht wieder herzustellen. Aus dem Absatz war ein rechteckiger Hohlraum herausgeschnitten, mit dem in meinem Schuh identisch. Saubere Arbeit, die Geduld erfordert hatte. Vor allem
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