Der Janusmann
keine Maschinenarbeit. Der Hohlraum ließ dieselben schwachen Werkzeugspuren erkennen wie der in meinem Schuh. Das geheime Arsenal von Federal Agents ist oft erstaunlich primitiv. Schießkugelschreiber und in Uhren eingebaute Kameras sind die große Ausnahme.
»Was denken Sie?«, fragte Beck.
Ich dachte darüber nach, wie ich mich fühlte. Ich befand mich auf einer emotionalen Achterbahn. Die Irin war tot, aber ich hatte sie doch nicht umgebracht. An ihrem Tod waren die staatlichen Computer schuld, was mich erleichterte. Aber ich war auch ziemlich wütend. Was zum Teufel hat Duffy sich dabei gedacht? Was hatte sie mit diesem Scheiß erreichen wollen? Eine eiserne Regel besagte, dass man niemals zwei oder mehr Leute verdeckt am selben Ort arbeiten lassen durfte, ohne dass sie voneinander wussten. Das war ein absolutes Prinzip. Sie hatte mir von Teresa Daniel erzählt. Weshalb hat sie dann diese andere Frau mit keinem Wort erwähnt?
»Unglaublich«, sagte ich.
»Die Batterie ist leer«, stellte Beck fest. Er hielt das Gerät in beiden Händen, drückte mit beiden Daumen darauf, als sei es ein Videospiel. »Jedenfalls funktioniert es nicht.«
Er hielt es mir hin. Ich griff danach und drückte die vertraute Power -Taste. Aber der kleine Bildschirm blieb dunkel.
»Wie lange war sie hier?«, fragte ich.
»Acht Wochen«, antwortete Beck. »Wir haben Mühe, Hauspersonal zu finden. Hier draußen ist’s einsam. Und dann gibt’s noch Paulie, wissen Sie. Und auch Duke war nicht gerade umgänglich.«
»Acht Wochen hält wohl keine Batterie.«
»Wie werden sie jetzt weiter vorgehen?«, fragte er.
»Keine Ahnung«, entgegnete ich. »Ich war nie bei den Feds.«
»Ganz allgemein«, sagte er. »Sie müssen sich mit solchen Fällen doch auskennen.«
Ich zuckte mit den Schultern.
»Ich vermute, dass sie damit gerechnet haben«, erklärte ich. »Als Erstes reißt immer die Nachrichtenverbindung ab. Auch wenn sie vom Radar verschwindet, macht man sich nicht gleich Sorgen. Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als sie im Einsatz zu lassen. Ich meine, sie können sie nicht hier anrufen, um sie zurückzubeordern, oder? Sie sind wohl davon ausgegangen, dass sie eine Möglichkeit finden würde, den Akku wieder aufzuladen.« Ich drehte das Gerät auf die Seite und deutete auf den kleinen Anschluss am Boden. »Sieht so aus, als bräuchte dieses Ding ein Handy-Ladegerät, irgendwas in der Art.«
»Würden sie Leute losschicken, um sie suchen zu lassen?«
»Irgendwann«, sagte ich. »Vermutlich.«
»Wann?«
»Keine Ahnung. Nicht gleich, denke ich.«
»Wir werden leugnen, sie jemals hier gesehen zu haben. Es gibt keinen Beweis dafür, dass sie hier war.«
»Dann müssen Sie ihr Zimmer sehr gründlich putzen lassen«, sagte ich. »Dort gibt es reichlich Fingerabdrücke, Haare und DNA-Spuren.«
»Sie ist uns empfohlen worden«, sagte er. »Wir geben keine Anzeigen auf. Leute, die wir in Boston kennen, haben sie an uns verwiesen.«
Er sah mich an. Ich dachte: Leute in Boston, die auf ein milderes Urteil hoffen und deshalb bereit sind, staatlichen Stellen auf alle nur mögliche Weise behilflich zu sein. Ich nickte.
»Schwierig«, meinte ich. »Denn was sagt das schon über sie?«
Beck nickte ebenfalls, mürrisch. Er stimmte mir zu. Wusste, was ich meinte. Dann griff er nach dem großen Schlüsselbund, der neben dem Stemmeisen lag.
»Ich glaube, der hat Angel Doll gehört«, sagte er.
Ich schwieg.
»Folglich ist das Ganze ein dreifacher Albtraum«, stellte er fest. »Wir wissen, dass Doll mit den Typen in Hartford unter einer Decke steckt und unsere Bostoner Freunde in Verbindung mit den Feds stehen. Und jetzt zeigt sich, dass auch Doll mit den Feds zusammenarbeitet. Weil er dieser verdeckt arbeitenden Schlampe seine Schlüssel gegeben hat. Was bedeutet, dass die Jungs in Hartford ebenfalls mit den Feds gemeinsame Sache machen. Doll ist tot, dafür hat Duke gesorgt, aber ich habe trotzdem noch Hartford, Boston und die Feds auf dem Hals. Ich werde Sie brauchen, Reacher.«
Ich sah zu Harley hinüber. Er starrte in den Regen hinaus.
»War’s nur Doll?«, fragte ich.
Beck nickte. »Davon hab ich mich schon überzeugt. Es war nur Doll. Die anderen sind zuverlässig. Sie halten zu mir. Sie haben sich ausdrücklich wegen Doll entschuldigt.«
»Okay«, sagte ich.
Nun geschah eine Weile nichts. Dann wickelte er meine Sachen wieder ein und legte sie in die Sporttasche zurück. Warf den E-Mail-Sender mit dem leeren Akku hinein und
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