Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs
ausnehmend gut, auch das Stöckchen, mit dem sie auf all den musealen Schrott zeigte: amerikanische Jagdflugzeuge, amerikanische Boote, Panzer, Jeeps, vom Himmel geholt, aus dem Wasser gezogen, von der Straße geschossen, und an den Wänden hängen Ölgemälde von den großen Schlachten. Das monumentalste ist ein Panoramabild, in der Mitte des Raumes eine drehbare Bühne, auf der wir sitzen und den Worten der uniformierten Museumsführerin lauschen, die gerade erzählt, daß die Künstler der nordkoreanischen Armee in liebevoller Feinarbeit über eine Million Menschen in diese Schlachtendarstellung gemalt hätten. Ich frage sie, woher sie wissen will, ob das wirklich stimmt. Sie zähle sie seit sieben Jahren jeden Tag. Sie sei noch immer nicht fertig, aber eine Million seien es bestimmt. Auch das Kriegsmuseum ist ein großer Bau mit endlosen Fluren, himmelhohen Decken, breiten Treppen und nahezu null Publikumsverkehr. Wir sind die einzigen Gäste, die sich hier ergehen.
Als wir unsere Reisebegleiter darum bitten, uns doch endlich mal etwas Lebendiges aus dem nordkoreanischen Alltag zu zeigen, wie zum Beispiel die Bauernmärkte, zucken sie zusammen. Seit kurzer Zeit dürfen Bauern einen Teil ihrer Produkte auch auf freien Märkten verkaufen. Die Partei läßt es zu, weil es anders einfach nicht mehr funktioniert, aber sie schämt sich dafür.
Unsere Begleiter reagieren jedenfalls auf unsere Bitte, als hätten wir sie nach Pornographie gefragt. Nein, zu den Bauernmärkten werden sie uns nie im Leben bringen. Statt dessen bringen sie uns zu einem Freizeitpark für Kinder und Jugendliche. Auch schön. Jede Bude in diesem Freizeitpark ist ein Schießstand, an dem die Kleinen mit Luftgewehren auf US-Pappkameraden schießen. Eine Ausnahme: an einem Stand werden lediglich Bälle auf eine Wand geworfen; es gibt ein Loch in der Wand, da sollen die Bälle durch, und dieses Loch ist natürlich wieder der Kopf eines amerikanischen Soldaten.
Nordkoreas Gesellschaft ist in drei Kasten eingeteilt: Zur loyalen Kaste zählen alle, die aus Arbeiter- und Bauernfamilien kommen, und die Veteranen des Koreakriegs; die schwankende Kaste besteht aus ehemaligen Händler- und Handwerkerfamilien; und als feindlich gesinnte Personen werden Menschen angesehen, deren Väter mal Unternehmer oder Beamte waren, sowie praktizierende Buddhisten und Christen. Diese Kaste wird bei der Lebensmittelverteilung benachteiligt und bei Hungersnöten ganz ausgelassen, den «Schwankenden» werden keine sensiblen Aufgaben übertragen, nur die «Loyalen» bekommen die guten Jobs, etwa den, auf ausländische Journalisten aufzupassen. Daß solch ein System nicht die richtigen Leute, also die Besten und Geeignetsten, an die richtigen Stellen bringt und deshalb auch nicht funktioniert, ist klar.
Ein Beispiel: Wir sollten nur die Schokoladenseiten des Landes kennenlernen, Vorzeige-Fabriken, Vorzeige-Staudämme und Vorzeige-Kindererholungsheime, aber statt uns in einem dieser Heime Kinder zu präsentieren, die spielen und glücklich sind, zeigten sie uns, wie man Kindern das Gehirn wäscht und sie programmiert. Das Ferienheim ist am Meer, drei Autostunden von Pjöngjang entfernt. Als wir es erreichten, strömten gerade einige hundert Kinder aus dem Gebäude heraus, und weil es extrem wenige Ausländer in Nordkorea gibt, reagierten sie auf uns wie auf weiße Elefanten. Umringten uns, berührten uns, lachten, ließen sich jubelnd fotografieren. Ihre Betreuer gingen sofort brüllend dazwischen. Nein, das sollten wir nicht sehen. Vielleicht sollten auch die Kinder nicht sehen, daß Ausländer durchaus lachen können und freundlich sind. Ein paar Minuten später führte man uns dann vor, auf welche pädagogischen Konzepte man hier stolz ist. Karaoke! Einige Kinder mußten sich vor einen Videoapparat stellen, bekamen Mikrophone in die Hand und sollten singen, was die Karaoke-Videos ihnen an Texten vorgaben. Die Videos waren aus nordkoreanischer Produktion. Sie zeigten Bauern, die Mistgabeln in Ausländer (Amerikaner) rammten und deren Schädel mit Spaten spalteten. Die Texte handelten von der Liebe zum Vaterland, zum Führer und zum bewaffneten Kampf. Gerne wollen sie ihr Blut dafür geben. Die Fahrt nach Pjöngjang verlief dann sehr bedrückt. So eine Vergewaltigung von jungen Seelen hatte noch keiner von uns gesehen.
Auch auf dem Rückweg wurden wir mehrmals gestoppt und von der Polizei oder dem Militär kontrolliert. Nicht weil wir Ausländer waren, sondern weil
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