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Der Joker

Titel: Der Joker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Zusak Alexandra Ernst
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letzte Nacht. Fragmente der Ereignisse stehen am Straßenrand, laufen neben dem Auto her. Immer wenn ein Bild schlappmacht und stehen bleibt, wird es durch ein anderes ersetzt. Beim Blick in den Rückspiegel erkenne ich eine Sekunde lang nicht, wer ich bin. Ich fühle mich nicht wie ich selbst. Ich kann mich scheinbar nicht einmal mehr daran erinnern, wer Ed Kennedy eigentlich sein sollte.
    Ich fühle gar nichts.
     
     
    Glücklicherweise habe ich am nächsten Tag frei. Der Türsteher und ich sitzen im Park an der Hauptstraße. Es ist Nachmittag und ich habe uns beiden ein Eis gekauft. Zwei Kugeln für jeden. Mango und Orange für mich. Kaugummi
und Cappuccino für den Türsteher. Es ist schön, hier im Schatten zu sitzen. Ich schaue aufmerksam zu, wie der Türsteher behutsam die Süße verschlingt und dann die Waffel mit seinem Sabber aufweicht. Er ist eine herrliche Kreatur.
    Schritte knirschen im Gras hinter uns.
    Mein Herz setzt aus.
    Ich sehe einen Schatten. Der Türsteher kaut weiter - eine herrliche Kreatur, aber als Wachhund nicht zu gebrauchen.
    »Hallo, Ed.«
    Ich kenne die Stimme.
    Ich kenne sie und sinke in mich selbst zurück. Es ist Sophie und ich sehe die Haut auf ihren schlanken Beinen. Sie fragt mich, ob sie sich setzen darf.
    »Natürlich«, antworte ich. »Willst du ein Eis?«
    »Nein, danke.«
    »Du hast wohl keine Lust, dir eins mit dem Türsteher zu teilen, was?«
    Sie lacht. »Nein, wirklich nicht... Türsteher?«
    Unsere Blicke treffen sich. »Ist’ne lange Geschichte.«
    Wir sind still, warten beide, bis ich mich daran gemahne, dass ich der Ältere bin und daher das Gespräch beginnen sollte.
    Aber ich tue es nicht.
    Ich will dieses Mädchen nicht mit unwichtigem Geschwätz langweilen.
    Sie ist so schön.
    Ihre Hand sinkt sanft auf den Türsteher herab, und sie streichelt ihn, und alles, was wir in der nächsten halben Stunde tun, ist hier zu sitzen. Schließlich spüre ich, wie sie mich ansieht. Ihre Stimme dringt in mich ein.

    Sie sagt: »Ich vermisse dich, Ed.«
    Ich schaue zu ihr und sage: »Ich vermisse dich auch.«
    Es ist beängstigend, denn es ist die Wahrheit. Sie ist so jung und ich vermisse sie. Oder klammere ich mich an sie, weil sie eine von den guten Botschaften war? Ich glaube, ich vermisse ihre Reinheit und ihre Wahrhaftigkeit.
    Sie ist neugierig.
    Ich kann es fühlen.
    Aber ich verweigere mich. »Läufst du immer noch?«, frage ich.
    Sie nickt höflich und spielt mit.
    »Barfuß?«
    »Natürlich.«
    Auf ihrem linken Knie ist immer noch eine Schramme zu sehen, doch als wir beide darauf blicken, ist in ihren Augen kein Bedauern. Sie ist zufrieden und ich lasse mich von ihrer Zufriedenheit trösten.
    Du bist so schön, wenn du barfuß läufst , denke ich, aber ich lasse nicht zu, dass ich es ausspreche.
    Der Türsteher hat sein Eis gegessen und schleckt Sophie nun Zärtlichkeiten aus den Fingern.
    Hinter uns hupt jemand. Wir beide wissen, dass sie gemeint ist. Sie steht auf. »Ich muss los.«
    Es gibt keinen Abschied.
    Nur Schritte und eine Frage, als sie sich noch einmal umwendet. »Geht’s dir gut, Ed?«
    Ich drehe mich um und sehe sie und kann mir nicht helfen: Ich muss lächeln. »Ich warte«, sage ich.
    »Worauf?«
    »Auf das nächste Ass.«
    Sie ist klug und weiß, was sie sagen muss. »Bist du bereit?«

    »Nein«, erwidere ich und ergebe mich den Tatsachen. »Aber ich kriege es trotzdem.«
    Dann verlässt sie mich tatsächlich. Ich merke, dass ihr Vater mich vom Auto aus beobachtet. Ich hoffe, dass er mich nicht für einen Perversen oder so hält, der in Parks herumsitzt und versucht, unschuldige Teenager abzuschleppen. Immerhin habe ich ihr den Schuhkarton gebracht.
    Ich fühle die Schnauze des Türstehers auf meinem Bein. Er schaut mit seinen liebevollen, greisen Augen zu mir empor.
    »Nun?«, frage ich ihn. »Was kommt als Nächstes? Herz, Kreuz oder Pik?«
    Wie wär’s mit noch einem Eis? , schlägt er vor.
    Er ist mir keine wirkliche Hilfe.
    Ich zerbeiße krachend meine Eiswaffel und wir stehen auf. Ich spüre, wie steif und wund mich die Ereignisse im Dom vor zwei Nächten gemacht haben. Versuchter Mord geht nicht spurlos an einem vorbei.

2
    Der Besuch
    Der dritte Tag vergeht und immer noch nichts.
    Ich war noch einmal in der Edgar Street. Das Haus ist dunkel. Die Frau und das Mädchen schlafen und von dem Mann ist nichts zu sehen. Ich habe schon überlegt, ob ich noch einmal zum Dom fahren und nachsehen soll, ob er gesprungen ist oder ihm etwas passiert

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