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Der Joker

Titel: Der Joker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Zusak Alexandra Ernst
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seufzt. »Hörst du dir eigentlich manchmal selbst zu? Werd endlich erwachsen!«
    »Ja, ja.«
    »Na, wenigstens ein Anfang.«
    »Danke.«
    »Wo waren wir stehen geblieben?«
    Wir alle denken angestrengt nach.
    Stille.
    Der Türsteher kommt herein und wirkt ungemein schuldbewusst.
    Es ist wohl nicht der beste Moment für’nen Kaffee? , fragt er. Diese Dreistigkeit!
    Ich funkele ihn an und er macht auf dem Absatz kehrt. Er weiß, wann er bei mir auf der schwarzen Liste steht.

    Wir alle schauen zu, wie er die Küche wieder verlässt.
    »Man kann riechen, wenn er kommt«, sagt der eine.
    »Ehrlich wahr«, sagt der andere.
    Der langsamere Esser der beiden steht jetzt auf und fängt an, die Teller abzuspülen.
    »Das ist doch nicht nötig«, sage ich zu ihm.
    »Aber sicher - wir sind zivilisiert, schon vergessen?«
    »Wie könnte ich?«
    Er klatscht in die Hände und dreht sich um. »Habe ich Soße auf der Maske?«
    »Nein, ich sehe nichts«, sagt der andere. »Und ich?«
    Er beugt sich vor und schaut genau hin. »Nein, du bist sauber.«
    »Gut.« Der langsame Esser ringt einen Augenblick lang mit seinem Gesicht und sagt: »Bäh, das verdammte Scheißding. Das kratzt gottserbärmlich.«
    »Hör auf zu jammern, Keith.«
    »Kratzt deine etwa nicht, Daryl?«
    »Na klar!« Daryl kann es nicht fassen, dass diese Diskussion überhaupt stattfindet. »Aber beklage ich mich deshalb alle fünf Minuten?«
    »Wir hocken seit einer Stunde hier.«
    »Na und? Denk dran. Wir alle müssen leiden, zum Wohle der...« Er schnippt mit den Fingern in meine Richtung.
    »Was? Äh... Menschheit.«
    »Richtig. Danke, Ed. Ganz hervorragend. Gut gemacht.«
    »Gern geschehen.«
    Wir sind jetzt so etwas wie Freunde, ich kann es fühlen.
    »Hör zu, können wir es nicht endlich hinter uns bringen, damit ich dieses Wollding loswerden kann, Daryl?«

    »Könntest du bitte ein bisschen mehr Disziplin an den Tag legen, Keith? Alle guten Schläger haben eine eiserne Disziplin, klar?«
    »Schläger?«, frage ich.
    Daryl zuckt mit den Schultern. »Tja, weißt du, so nennen wir uns nun einmal.«
    »Klingt korrekt«, erkläre ich.
    »Ja, nicht wahr?«, sagt er und denkt noch einmal ernsthaft darüber nach.
    Er überlegt. Er spricht.
    »Okay, Keith. Du hast Recht. Wir sollten bald aufbrechen. Du hast die Pistole, ja?«
    »Ja. Sie war in der Schublade.«
    »Sehr gut.« Daryl steht auf und zieht einen Umschlag aus seiner Jackentasche. Darauf stehen die Worte »Ed Kennedy«. »Wir haben da was für dich, Ed. Steh auf, Kumpel.«
    Ich tue es.
    »Tut mir Leid«, versucht er, sich zu rechtfertigen, »aber ich habe meine Befehle. Ich bin beauftragt, dir etwas zu sagen - dass du dich bislang gut schlägst.« Er spricht leiser weiter: »Obwohl ich weiß - aber das bleibt unter uns, ansonsten kriege ich mächtigen Ärger -, dass du den Typen nicht umgeblasen hast...«
    Wieder entschuldigt er sich und hämmert mir seine Botschaft zwischen die Rippen.
    Ich krümme mich zusammen.
    Der Küchenboden ist dreckig.
    Überall sind Hundehaare.
    Der zweite Hammer landet in meinem Nacken.
    Ich schmecke den Boden.
    Er verschmilzt mit meinem Mund.

    Ich spüre, wie der Umschlag sanft auf meinem Rücken landet.
    Aus weiter, weiter Ferne höre ich Daryls Stimme ein letztes Mal: »Sorry, Ed. Viel Glück.«
    Ihre Schritte hallen durch die Hütte, und ich höre Keith fragen: »Kann ich die Maske jetzt abnehmen?«
    »Gleich«, antwortet Daryl.
    Das Licht in der Küche verblasst und wieder sinke ich hinab.

3
    Der Umschlag
    Ich würde ja gerne behaupten, dass der Türsteher mir aufstehen hilft, aber natürlich tut er das nicht. Er kommt zu mir und leckt mir ein paarmal übers Gesicht, bis ich genug Kraft finde, allein auf die Füße zu kommen.
    Licht stürzt sich auf mich.
    Schmerz steigt auf.
    Ich versuche, das Gleichgewicht zu halten. Der Türsteher schwankt und ich bitte ihn verzweifelt um Hilfe. Aber er schwankt nur und schaut zu.
    Aus dem Augenwinkel sehe ich etwas auf dem Fußboden liegen.
    Ich erinnere mich.
    Der Umschlag.
     
     
    Er ist von meinem Rücken unter den Küchentisch gefallen und liegt inmitten all der Hundehaare.
    Ich hebe ihn auf, halte ihn zwischen meinen Fingern, wie
ein Kind etwas Schmutziges halten würde, etwa ein benutztes Taschentuch.
    Mit dem Türsteher im Schlepptau ziehe ich mich ins Wohnzimmer zurück und lasse mich dankbar auf das Sofa fallen. Der Umschlag in meinen Händen zittert und tanzt, verspottet die Gefahr, die von ihm ausgeht, als wollte er sagen:

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