Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Joker

Titel: Der Joker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Zusak Alexandra Ernst
Vom Netzwerk:
leisten.«
    »So schlimm ist es auch wieder nicht«, sage ich.
    Wir reden noch eine kleine Weile miteinander und dann stellt mir der Mann unvermittelt eine überraschende Frage. Er tritt einen Schritt zurück, denkt nach und sagt dann: »He, wollen Sie nicht reinkommen und sich umsehen? Wir wollten gerade zu Abend essen. Sie sind herzlich eingeladen.«
    Mein Bauch sagt mir, ich solle ablehnen, aber ich tue es nicht. Es ist schwerer, die Einladung anzunehmen.
    Ich folge dem Mann auf die Veranda hinauf und hinein ins Haus. Bevor wir über die Türschwelle gehen, sagt er: »Ich heiße übrigens Lua. Lua Tatupu.«
    »Ed Kennedy«, sage ich, und wir schütteln einander die Hände. Lua zerdrückt mir beinahe sämtliche Fingerknochen.
     
     
    »Marie?«, ruft er, als wir drinnen sind. »Kinder?« Er dreht sich zu mir um. »Sieht das Haus noch so aus wie früher?«
    »Wie bitte?« Dann fällt es mir wieder ein. »Oh. Ja, fast genauso.«
    Die Kinder kommen aus den Ecken und Winkeln geströmt und fangen an, auf uns herumzuklettern. Lua stellt mich vor,
zuerst ihnen und dann seiner Frau. Zum Abendessen gibt es Kartoffelbrei und Würstchen.
    Wir essen, und Lua erzählt Witze, und die Kinder lachen und lachen, obwohl sie laut Marie dieselben Witze schon tausendmal gehört haben. Marie hat Falten unter ihren Augen und wirkt erschöpft vom Leben, den Kindern und der Notwendigkeit, jeden Abend Essen auf den Tisch zu stellen. Ihre Haut ist heller als die von Lua und sie hat dunkelbraune, wellige Haare. Sie war mal wunderschön - noch schöner, als sie jetzt ist. Sie arbeitet in einem Supermarkt. Jeden Tag.
    Die beiden haben fünf Kinder. Sie alle kauen ihr Essen mit offenem Mund, und wenn sie lachen, sieht man die ganze Welt in ihren Augen. Man merkt genau, warum Lua sie so behandelt, wie er es tut, und warum er sie so abgöttisch liebt.
    »Darf ich auf Ed Huckepack reiten, Dad?«, fragt eines von den Mädchen.
    Ich nicke ihm zu, und Lua sagt: »Natürlich, Liebes, aber hast du nicht noch ein kleines Wörtchen vergessen?« Irgendwie erinnert er mich an Vater O’Reillys Bruder Tony.
    Das Mädchen versetzt sich selbst einen Klaps auf die Stirn, grinst und sagt: »Darf ich bitte auf Ed Huckepack reiten?«
    »Sicher, Kleines«, sagt Lua, und ich verwandele mich in einen Lastesel.
    Ich bin dreizehn Mal Huckepack geritten worden, als Marie mich schließlich erlöst und den jüngsten ihrer Söhne von mir herunterhebt.
    »Jessie, ich glaube, Ed ist jetzt müde. Gönn ihm eine Pause, okay?«

    »Okay.« Jessie gibt nach und ich lasse mich aufs Sofa fallen.
    Jessie ist etwa sechs Jahre alt, und während ich dasitze und mich erhole, flüstert er mir etwas ins Ohr.
    Die Antwort.
    Er sagt: »Mein Dad hängt bald die Weihnachtsbeleuchtung auf. Du musst unbedingt kommen und dir das ansehen. Die Lichter sind einfach toll...«
    »Das mach ich«, verspreche ich. »Ich komm vorbei.«
     
     
    Ich schaue mich ein letztes Mal im Haus um, als wollte ich mir selbst einreden, dass ich hier einmal gewohnt habe. Ich erfinde sogar ein paar tolle Erinnerungen an meinen Vater innerhalb dieser Mauern.
    Lua schläft, als ich gehe, daher bringt mich Marie zur Tür.
    »Danke«, sage ich, »für alles.«
    Sie schaut mich mit ihren warmen, offenen Augen an und sagt: »Gern geschehen, Ed. Du kannst jederzeit wiederkommen.«
    »Das mach ich«, sage ich. Diesmal ist es keine Lüge.
     
     
    Am Wochenende gehe ich tagsüber am Haus vorbei. Die Weihnachtsbeleuchtung ist aufgehängt. Die Lampen sind alt und trübe. Einige fehlen ganz. Sie sind altmodisch. Sie blitzen nicht. Es sind lediglich große Glühlampen in unterschiedlichen Farben, die über das Dach der Veranda gehängt wurden.
    Ich komme später wieder , denke ich, und schaue mir die Sache näher an.

    Und am Abend, als die Lichter brennen, sehe ich, dass nur noch die Hälfte der Glühlampen funktioniert. Sage und schreibe vier. Vier Glühlampen, um das Haus der Tatupus in diesem Jahr zu erhellen. Keine große Sache, aber irgendwie wichtig. Große Sachen sind oft nur kleine Sachen, die auffallen.
    Bei der ersten sich bietenden Gelegenheit komme ich wieder, tagsüber, wenn sie alle in der Schule oder bei der Arbeit sind.
    Mit dieser Beleuchtung muss etwas passieren.
     
     
    Ich gehe in den Elektroladen und kaufe brandneue Lampen, die genauso aussehen wie die alten. Schöne, große Kugeln in Blau, Rot, Gelb und Grün. Es ist ein heißer Mittwoch, und überraschenderweise verliert keiner der Nachbarn auch nur ein

Weitere Kostenlose Bücher