Der Judas-Code: Roman
vorausgegangen war. Jemand war über die Ereignisse auf der Weihnachtsinsel genauestens informiert gewesen, bevor der Rest der Welt davon erfahren hatte. Lisa dachte an den Patienten auf der Isolierstation, an John Doe mit den fleischfressenden Bakterien. Er war vor fünf Wochen beim Herumirren auf der Insel aufgegriffen worden.
Wussten die Angreifer auch über ihn Bescheid?
Ein Geräusch an der Eingangstür der Suite ließ alle herumfahren.
Zwei Männer traten ein. Den Vortritt hatte der Piratenanführer mit dem tätowierten Gesicht.
Ein hoch gewachsener Unbekannter drängte sich an dem Maori-Krieger vorbei. Er nahm einen Panamahut mit breiter Krempe ab und reichte ihn einer Frau, die hinter dem Tätowierten aufgetaucht war. Der Neuankömmling war wie für eine Gartenparty gekleidet. Er trug einen weiten, weißen Leinenanzug, hielt einen dazu passenden Spazierstock in der Hand, und sein grau meliertes Haar reichte bis zum Kragen. Seine braune Haut und die dicht beieinanderstehenden Augen machten ihn als Inder oder Pakistani kenntlich.
Mit klackerndem Spazierstock näherte er sich der wartenden Gruppe; dabei wurde deutlich, dass der Stock allein der Zierde diente. Seine Augen funkelten vor deplatzierter Freundlichkeit.
» Namaste «, grüßte er sie auf Hindi und neigte andeutungsweise den Kopf. »Ich danke Ihnen für Ihr Erscheinen.«
Der Unbekannte nickte dem Eigner der Mistress of the Seas zu. »Sir Ryder, bei Ihnen möchte ich mich für Ihre Gastfreundschaft und die Überlassung dieses herrlichen Schiffs bedanken. Wir werden uns bemühen, es Ihnen beizeiten unbeschädigt zurückzugeben.«
Ryder musterte den Mann finster.
Der Unbekannte wandte sich nun an die Wissenschaftler. »Es ist mir eine besondere Freude, bei dieser wichtigen Unternehmung die führenden Experten der Weltgesundheitsorganisation in einem Raum versammelt zu sehen.«
Lisa bemerkte, dass Henri besorgt und verwirrt die Brauen hochzog.
Der Unbekannte fasste Lisa in den Blick. »Wir sollten natürlich auch unsere Kollegin vom US-Geheimdienst nicht vergessen. Sie arbeiten für die Sigma Force, nicht wahr?«
Lisa wurde von Angst erfasst, ihr Gesichtsfeld verengte sich.
Monk...
Jemand legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter. Es war Ryder Blunt. Er wandte sich an den Unbekannten. »Wer zum Teufel sind Sie?«
»Sie haben ganz recht. Ich bitte um Entschuldigung.« Der
Mann hob die Hand und stellte sich förmlich vor. »Dr. Devesh Patanjali, oberster Akquisitionsoffizier der Gilde, Spezialgebiet Biotechnologie.«
Ein kalter Stein senkte sich in Lisas Bauch. Sie hatte durch Painter von der Gilde erfahren... und von der Blutspur, welche die Terrororganisation hinter sich zurückließ.
Der Mann klopfte abschließend mit dem Stock auf den Boden. »Ich fürchte, wir dürfen keine Zeit mehr mit Förmlichkeiten verschwenden. Bevor wir morgen den Hafen erreichen, liegt noch viel Arbeit vor uns.«
»Was meinen Sie damit?«, fragte Lisa mit ausdrucksloser Stimme.
Er zog eine Braue hoch. »Meine Liebe, wir müssen gemeinsam die Welt retten.«
15:45
Monk presste dem Mann die Hand auf den Mund. Die Prothesenfinger der anderen Hand legte er ihm unmittelbar unter dem Kinn um den Hals, drückte die Schlagader ab und unterbrach die Blutzufuhr zum Gehirn. Der Mann wehrte sich, doch Monks Finger waren kräftig genug, um Walnüsse zu knacken. Er wartete, bis die Beine des Mannes erschlafften - dann ließ er ihn zu Boden gleiten.
Er schleppte den Mann in einen kleinen Lagerraum.
Monk bemerkte eine Vibration im Boden, ein sonores Maschinengebrumm. Er richtete sich auf. Das Schiff hatte Fahrt aufgenommen. Er hatte sich im allerletzten Moment an Bord geschlichen.
Nach der Explosion des Jetskis war er über eine der Ankerketten an der anderen Schiffsseite an Bord geklettert und hatte die Luftflaschen auf den Grund der Bucht sinken lassen. Die Stelle, an der er das Schiff betreten hatte, war kaum bewacht gewesen, da die Aufmerksamkeit der Piraten sich vor allem auf den Inselstrand richtete. Von der Ankerkette war er in ein Rettungsboot gesprungen und von dort aufs Deck, wo er sich abgerollt hatte.
Anschließend hatte er sich ein Versteck gesucht.
In der Materialkammer hatte er eine Viertelstunde gewartet, bis ein einzelner Wachposten mit einem Heckler & Koch Sturmgewehr aufgetaucht war. Jetzt lag der Mann bewusstlos in ebendieser Kammer. Monk schälte sich aus dem Tauchanzug und zog dem Mann die weite Hose und das Hemd aus. Beide Kleidungsstücke
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