Der Judas-Schrein
Aber noch aus einem anderen Grund war es der bisher schrecklichste Tag in meinem Leben. Ich wurde Zeuge einer furchtbaren Entwicklung. Pater Dorn befahl mich abends zu sich in das Gewölbe. Das unterirdische Labyrinth wurde von der Maschine in ihrer gesamten Hässlichkeit eingenommen. In den wenigen freien Ecken standen Holzkisten, auf welchen sich Käfige befanden. Ratten und Mäuse quiekten in den Gefängnissen, und unter einem Glassturz glaubte ich sogar Fliegen zu erkennen, die summend gegen das Gefäß prallten. Pater Dorn bemerkte meinen skeptischen Blick. »Daran werden wir erkennen, ob es funktioniert.« Er setzte einen Hebel in Bewegung. Die Zahnräder griffen ineinander, Spulen wickelten sich auf, Ketten rasselten und windradähnliche Segel begannen sich zu entfalten. Plötzlich war die gesamte Maschine in Bewegung. Der Pater sprang zu zwei Handkurbeln, deren Griffe er schneller und immer schneller drehte. »Max! Die Pumpe, rasch!«
Ich lief zu dem mit Leder bespannten Blasebalg und betätigte das Pedal. Riesenhafte Teile der Maschine begannen sich zu verschieben, Mühlsteine rieben aneinander, schwirrten über meinen Kopf hinweg, liefen auf Rollen aneinander vorbei, trafen erneut aufeinander und produzierten dabei ein grässliches Geräusch. Zu dem Wetzen mischten sich neue, hässliche Klagetöne von reibenden Metallplatten und einem dumpf pochenden Hammer. Der Mechanismus stieß immer entsetzlichere Laute aus, die wie der Flügelschlag missgestalteter Insekten klangen - Laute, die kein Mensch hätte ausstoßen können - und plötzlich erkannte ich den perfiden Plan. Es entstand ein Rhythmus mit wiederkehrenden Klängen. »Rascher!«, forderte Pater Dorn.
Bald konnte ich die einzelnen Töne nicht mehr voneinander unterscheiden. Ein Dröhnen umgab mich, doch Minuten später schienen sich die Töne wie von Zauberhand gegenseitig aufzuheben, zu neutralisieren, denn das Getöse wurde immer leiser, bis es schließlich völlig abgeklungen war und eine beunruhigende Stille hinterließ. Die Maschine aber war voll im Gang, ohne dass es dazu noch einer Handkurbel oder eines Fußpedals bedurfte. Auch wenn ich nichts mehr hörte, so ahnte ich doch, dass die unheimlichen Geräusche weiterhin produziert wurden, denn ich spürte meinen Hosenstoff flattern. Ich fühlte den Druck im Magen, der sich immer heftiger verkrampfte. Diese lautlosen Töne, die rund um uns existierten, ließen meine Ohren schmerzen, meinen Gaumen austrocknen und brachten meinen Puls zum Rasen. Doch nicht nur das - Schrecklicheres passierte: Die Fliegen krochen benommen über den Boden der Holzkiste und verloren ihre Beine und Flügel. Die Ratten verendeten. Ihre Augäpfel drehten sich in den Höhlen. Sie rissen die Mäuler auf, als rängen sie nach Luft, doch gaben sie keinen einzigen Ton von sich.
Aufhören!, wollte ich schreien, aber auch ich brachte keinen Laut hervor, als stünde ich in einem schallgedämpften Raum, der alle Geräusche schluckte.
Mein Darm rumorte, Harn und Kot ergossen sich in meine Hose. Ich konnte nichts dagegen tun, wollte schreien, ballte die Hände zu Fäusten und merkte, dass mir Blut aus der Nase und den Ohren lief.
Hilflos, mit schlotterndem Körper, sah ich zu, wie sich das Gestein des Bodens in Wellen ablöste und schließlich verschwand. Unter der Maschine öffnete sich ein schwarzer Abgrund, über dem alles zu schweben schien. Das Loch verformte sich ständig, als lebe und pulsiere es. Welch gigantischer Hohlraum mochte sich darunter verbergen? Tränen schossen mir in die Augen, doch sie waren nicht der Grund, weshalb ich die Szene, die sich mir bot, nicht klar wahrnehmen konnte. Die Luft über der Öffnung begann zu flimmern, die Bilder verschoben sich ineinander. Da rumorte es in der Tiefe und ein Wesen schnellte daraus hervor, welches ich nicht genau erkennen konnte. Die unbeschreibliche Kreatur schnappte nach Pater Dorn. In alle Richtungen schnalzende Schatten rissen ihm die Kleider vom Leib und drangen blitzschnell in sämtliche seiner Körperöffnungen. Des Paters Gesicht verschwamm zu einem unkenntlichen Gebilde. Er riss den Mund auf und schrie, doch ich hörte keinen Ton. Im nächsten Augenblick glaubte ich sein erigiertes Glied monströs von seinem Körper abstehen zu sehen. Je tiefer sich die dunklen Schatten in seinen Körper bohrten, desto heftiger begann sein Glied zu zucken. Dann ging es Schlag auf Schlag: Die Fangarme aus der Tiefe zogen sich um die Handgelenke des Paters, seine Finger ballten
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