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Der Judas-Schrein

Der Judas-Schrein

Titel: Der Judas-Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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Katastrophe von 1937 so intensiv auseinander gesetzt haben? An dieser Vermutung mochte einiges dran sein. Immerhin reichten die Gänge von diesem Gewölbe bis in die Bergwerksschächte. Hatte die Feuchtigkeit das Wesen zu neuem Leben erweckt oder die drei verunglückten Grubenkumpel, deren Leichen nie geborgen wurden? Doch darüber konnte er sich später den Kopf zerbrechen.
    Körner erhob sich. Er musste schleunigst einen Weg aus dem Gewölbe finden, bevor das Licht der Taschenlampe gänzlich erlosch und er in der Dunkelheit heillos verloren war. Zweifelsohne befand er sich im Türkenschacht unter der Kirche. Irgendwo musste ein Aufgang mit Fallgitter direkt in den Dorfbrunnen führen. Mit etwas Glück würde er das Scharnier aufbrechen und nach draußen klettern können.
    Als er hinter seinem Rücken ein Geräusch hörte, hielt er in der Bewegung inne. Es klang wie das Schlurfen von Schuhen. Kieselsteine scharrten über den Boden, jemand kam näher. Körner fuhr herum. Hastig leuchtete er mit der Lampe alle Winkel des Gewölbes aus, doch nichts war zu sehen. Das Geräusch schleppender Schritte kam aus einer der Nischen, welche sich hinter dem schmalen Torbogen befand. Körner ging darauf zu, die Taschenlampe wie eine Waffe geradeaus gerichtet. Als er erkannte, wessen Silhouette sich aus der Finsternis schälte, traute er seinen Augen nicht.
    Vor ihm stand Jana Sabriski.
     
    31. Kapitel
     
    Fassungslos starrte Körner auf seine Kollegin. Sabriski trug die Jeans und den Pullover vom Vortag, als sie sich in Marias Wohnung in Heidenhof vor den Dorfbewohnern versteckt hatten. Dort hatte Körner mit eigenen Augen gesehen, wie ihre Handgelenke mit Lederriemen an das Eisengestell gefesselt worden waren, wie sie trotz zwölf Milligramm Valium von drei Männern niedergehalten werden musste, als ihr das Ding in die Wirbelsäule fuhr. Sie musste genauso tot sein wie Sabine Krajnik und ihre beiden älteren Geschwister, mit hohem Blutverlust und einem faustgroßen Loch im Rücken.
    Dennoch ging Jana Sabriski auf ihn zu. Ihre Haare standen in alle Richtungen, ihre Gesichtshaut hatte eine fahle, totenähnliche Färbung angenommen.
    Als ihr Körner mit der Taschenlampe ins Gesicht leuchtete, zuckte sie für einen Moment zurück. Katzengleich veränderten sich ihre Pupillen. In dieser Sekunde erinnerte ihr Blick ihn an den von Waltraud Stoißer, als sie mit dem Bürgermeister und Doktor Weber in der Nacht vor der Gaslight Bar auf ihn gewartet hatte. Die gleichen starren Augen, der gleiche leblose kalte Ausdruck, mit dem sie auf den Schein der Taschenlampe reagierte.
    Körner machte einen Schritt zurück, stolperte über den dicken, knorrigen Baumstamm auf dem Boden. Er fing sich, doch Sabriski war schneller als er. Plötzlich stand sie vor ihm. Sie lächelte schmal. »Gar keine Wiedersehensfreude?«
    »Ich habe dich sterben sehen«, flüsterte Körner.
    »Wie ich sehe, hast du die Maschine zerstört.« Sie blickte über seine Schulter hinweg. »Du warst nicht gerade leise. Wir haben den Lärm gehört und wussten sofort, das konntest nur du sein.«
    Wir? Körner ballte die Hand zur Faust, schlagbereit. Dieses Wesen vor ihm war unmöglich Jana. »Du wurdest ermordet. Du bist tot!«
    »Wir sterben nicht. Wir werden verwandelt.«
    Wenn Sabriski ihn hier unten finden konnte, dann konnten es jene anderen auch, die sie in das Gewölbe geschickt hatten. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er ihnen in die Falle ging. Oder war das bereits geschehen? Jedenfalls gab es diesen Weg zum Dorfbrunnen noch immer, denn Sabriski sah nicht so aus, als sei sie ihm durch den Wurzeltunnel gefolgt, durch den er stundenlang gekrochen war.
    »Sabine Krajnik wurde nicht verwandelt - sondern ermordet!« Körner rief sich den Autopsiebericht in Erinnerung. »Ihre Wirbelsäule wurde von innen zerschmettert. Ein Liter Blut schoss aus ihrem zerfetzten Markkanal. Du hast das Resultat selbst gesehen, an Sabine, Carina und Mathias Krajnik - oder erinnerst du dich nicht mehr daran?«
    Sabriski neigte den Kopf. »Das waren Unfälle«, erwiderte sie kalt. »Die Kinder litten unter Knochenmarkkrebs. Die Tumorzellen waren durch ihre gesamten Körper gestreut - die Metastasen sind Gift für das Serum.«
    »Welches Serum?«
    »Das Wesen lebt von unserem Knochenmark und unserer Gehirnflüssigkeit. Anfangs zapft es bloß ein bis zwei Milliliter Liquor ab, später auch zehn Milliliter, je nachdem wie schnell es wächst und wie hungrig es ist. Nach dem ersten Kontakt hast du

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