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Der Judas-Schrein

Der Judas-Schrein

Titel: Der Judas-Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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klebte.
    »Sauwetter!« Philipp stopfte seine Pfeife, schirmte sie mit der Hand vor dem Wind ab und zündete sie an.
    Körner starrte auf das Streichholz. Wie er Blitze und Feuer hasste! Das Streichholz verlosch im Rinnsaal und wurde weggespült. Wenn er seine Kindheitsängste doch nur genauso wegspülen könnte.
    Da klingelte ein Handy dumpf aus einer der Manteltaschen. Sie sahen sich gegenseitig an. Körner wusste, seines war es nicht. Erst als er die Melodie eines bekannten Walt-Disney-Zeichentrickfilms erkannte, sah er Basedov in der Tasche kramen. Typisch! Bestimmt hatten Basedovs Kinder ihm den Klingelton aufs Handy gespielt. Seine eigene Tochter würde das nie tun, dazu sahen sie sich zu selten. Körner kaute an der Lippe. Oder ließ er sie nicht nahe genug an sich heran? Nein, Verena interessierte sich mittlerweile für ganz andere Dinge. Gedankenverloren hörte er dem Fotografen zu.
    »Ja?« Basedov presste das Telefon ans Ohr. »Ich bin unterwegs. Nein, ich komme später heim, gegen vier.«
    Er beendete die Verbindung und zuckte verlegen mit den Achseln. »Meine Frau. Keine Sorge, Alex, du bekommt die Fotos noch heute Abend.«
    Danach verschwanden sie der Reihe nach mit ihren Autos, und der Platz war wie leergefegt. Körner sah den Rücklichtern nach. Endlich waren sie weg. So gern er Phil und Basedov mochte, aber manchmal war das Duo ganz schön anstrengend.
    »Wissen Sabines Eltern schon Bescheid?«, fragte er Berger.
    Sie stopfte die Hände in den Parka und machte ein betrübtes Gesicht. »Der Dorfgendarm hat es ihnen jedenfalls nicht erzählt.«
    Körner blickte zur Kirchturmuhr. Eigentlich war es Zeit zum Mittagessen. »Haben Sie Hunger?« Berger schüttelte den Kopf.
    Auch Körner würde im Moment keinen Bissen herunterbekommen. »Dann sehen wir zu, dass wir ein paar Leute kennen lernen. Fangen wir mit den Krajniks an.«
     
    4. Kapitel
     
    Der Nieselregen hatte nachgelassen, und die schwarze Wolkenfront war immer noch nicht aufgebrochen. Obwohl es erst Mittag war, konnte man glauben, die Abenddämmerung senke sich wie ein Mantel über das Land. Dazu kam die merkwürdige Stille, die den Ort einhüllte, als schlummere Grein in einem Dornröschenschlaf. Die einzigen Lebenszeichen rührten von ein paar herrenlos streunenden Hunden und Katzen, die geängstigt vom fernen Donnergrollen von einer Häuserecke zur nächsten jagten.
    Körner zählte die Hausnummern ab, während sie die Straße hinuntergingen. Die Kriminalpsychologin hatte ihm die Adresse der Krajniks genannt, und weit konnte es nicht mehr sein, da sie bald am Ortsbeginn anlangen würden.
    Mit einem Mal fuhr Berger herum. »Da ist der Hund wieder!«
    Der rotbraune Setter sprang über den Zaun und lief ihnen auf der gegenüberliegenden Straßenseite entgegen. Das Tier hielt den Schwanz eingezogen und schnupperte an der Hausmauer, dann lief es weiter.
    »Was der wohl in der Diskothek wollte?« Berger strich sich das nasse Haar aus der Stirn. »Fällt Ihnen auf, dass uns keine Schaulustigen beobachten?« Sie erhob sich auf die Zehenspitzen und versuchte in eines der Fenster zu spähen, doch die Vorhänge waren zugezogen. »Haben die Urlaub oder Ferien? Sind sie geflüchtet? Wurden sie evakuiert?«
    Körner gab ihr keine Antwort. Ihm ging etwas anderes durch den Kopf. »Wir sind da«, sagte er, als er das Einfamilienhaus mit dem alten Schlachthof entdeckte, das entlang eines schmalen Grundstücks verlief. Wie die meisten Häuser im Ort stammte auch dieses verwinkelte Bauwerk aus den frühen sechziger Jahren. Die Fenster waren vernagelt, und der Wind hatte einen Großteil der Dachschindeln abgetragen. Aus der angrenzenden Halle dröhnte das Muhen von Kühen. Ein Zaun fehlte, und die Wiese war vom Regen so durchnässt, dass sie einem großen Schlammloch glich.
    »Haben Sie einen Geist gesehen?«, fragte Berger.
    Körner starrte zur Ortstafel, die unterhalb der Straße zu sehen war. Daneben stand die gelbe Hütte der Bushaltestelle und gegenüber lag Tonis Tankstelle mit einer einzigen Zapfsäule. Da es aufgehört hatte zu regnen, würde Toni wohl wieder hinter der Kasse sitzen. Irgendetwas passte nicht zusammen, die Zeitfolge des Tathergangs, wie sie heute Morgen hätte ablaufen müssen, wollte ihm nicht in den Kopf.
    »Warum ist die Kleine nicht um sieben Uhr früh in diese Richtung zum Bus gegangen?«, murmelte er. »Weshalb ist sie stattdessen eine Stunde später in die andere Richtung zum Kirchenplatz marschiert?«
    »Wir werden es rausfinden.«

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