Der Judas-Schrein
Vermutung, ein Serienmörder könnte für die Tat verantwortlich sein. »Aber ich glaube nicht, dass …«, wollte er seinen Bericht beenden, doch sie unterbrach ihn.
»Bleiben Sie dran, und verlassen Sie sich auf Bergers Urteil. Das Opfer war jung und hübsch, ein perverser Serienkiller hat sie wie ein Stück Vieh abgeschlachtet.«
Körner schluckte. Diese harten Worte aus dem Mund einer Frau schockierten ihn, auch wenn Koren alles andere als zart besaitet war. Andernfalls hätte sie es wohl kaum bis zur Chefin des Morddezernats gebracht.
»Wir können nicht sicher sein, dass es der Auftakt einer Serie war«, widersprach er. »Bisher gab es keine weiteren Morde im Ort.«
»Noch nicht, aber es fängt gerade erst an. Wer einmal diese Grenze überschritten hat, kann nicht mehr aufhören. Der Killer wird kreativer, er wird sich steigern.«
Er fasste es nicht! Jutta Koren sprach wie Berger. Kaum tauchte ein Opfer auf, das schlimmer verstümmelt war, als alle bisherigen, verrannte sich jeder in die Annahme, ein Psychopath müsse dafür verantwortlich sein, so, als gebe es keine andere Möglichkeit. Und je mehr sie ihn davon überzeugen wollten, desto weniger glaubte er daran. Er hatte das Gefühl, sie alle hingen an den Fäden eines raffinierten Killers, der sie genau das glauben lassen wollte.
»Das ist nicht die Tat eines Serienkillers!«, sagte er entschieden. »Für meine Begriffe wirkt der Tatort arrangiert, die Spuren wurden für uns in Szene gesetzt. Der Täter will uns glauben machen, wir hätten es mit einem Soziopathen zu tun. Ich habe den Tatort gesehen. Einiges deutet darauf hin, dass die Spuren fingiert wurden. Vielleicht war es kein Zufall, dass die Reporterin einen Tipp erhielt. Womöglich sollte etwas vertuscht werden.«
»Vergessen Sie es! Ich habe die Leiche gesehen!«
Was wusste sie schon von der Leiche? Nichts hatte sie gesehen! Am liebsten hätte er das Handy aus dem Wagen geworfen. »Das Bild des Pressefotografen sagt nichts aus. Das ist nur ein schwarzweißes Fax. Der Tatort…«
»Körner!«, unterbrach sie ihn scharf. »Ich war in der Pathologie. Sabriski obduzierte das Mädchen, und Philipp untersuchte die Spuren. Ich habe mit ihnen gesprochen, aber das ist nicht ausschlaggebend. Wichtig ist, ich habe die Leiche mit eigenen Augen gesehen! Das Mädchen wurde regelrecht zerfetzt, Körner. Der Killer hat ihren Rücken ausgeweidet. Zudem habe ich Kraliczs Fotos vom Tatort gesehen und diese Vorrichtung, die der Killer gebaut hat. Fakt ist, er wurde bei seiner Tat gestört - wer weiß, was er sonst noch mit der Leiche des Mädchens angestellt hätte?«
Die Vorrichtung, erinnerte sich Körner. Sie hatten immer noch nicht ihren Zweck herausgefunden. War das Gerät doch keine Finte, steckte in Wahrheit der perfide Plan eines kranken Gehirns dahinter? Möglicherweise würde das Labor mehr herausbekommen.
»Vergessen Sie Ihre Vertuschungs-Theorie! Das war ein krankes, perverses Schwein! Sein Zwang zum Töten wird eskalieren, er wird seine Kunst im Lauf der Zeit verfeinern. Finden Sie diesen Psychopathen, bevor er ein zweites Mal zuschlägt.«
»Scheiße!« Körner verriss das Steuer, das Fahrbahnwasser spritzte an den Seitenscheiben hoch. Er wurde fast von einem Feuerwehrwagen gerammt. Das Signalhorn röhrte. Eine Kolonne Lösch- und Pumpwagen fuhr an ihm vorüber. Der Audi schlingerte, doch Körner bekam ihn wieder unter Kontrolle.
»Herrgott, Körner! Was ist bei Ihnen los?«
»Nichts.« Das Handy klemmte zwischen seiner Wange und Schulter, denn er hielt beide Hände am Steuer. »Ich brauche einen zusätzlichen Ermitttler im Team. Im Moment sind wir an mehreren Spuren dran, Berger und ich sind zu wenig.«
»Was wollen Sie mehr? Sie haben die besten Leute für diesen Fall: Berger ist ausgebildete Kriminalpsychologin.«
»Sie hat nicht die nötige Erfahrung.«
»Philipp ist der beste Spurensicherer, er hat die nötige Erfahrung. Dann haben Sie noch Kralicz, und Sabriski ist die beste Gerichtsmedizinerin. Was brauchen Sie noch? Die Heilsarmee?«
»Einen zusätzlichen Mann für die Recherchen«, antwortete er prompt und wusste im gleichen Moment, dass es kein guter Zeitpunkt war, danach zu fragen.
»Nein. Ich habe keine freie Kapazität. Andere Ermittlerteams haben nicht einmal eine Kriminalpsychologin.«
»Ich habe Berger schon zu viel von der Routinearbeit an den Hals gehängt. Das ist nicht ihr Job!«
»Aber Ihrer! Machen Sie ihn!«
Er sah Koren im Geiste vor sich, wie sie sich das
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