Der Judas-Schrein
aus, dass sie nicht vergewaltigt wurde.«
»Korrekt.«
»Aber vielleicht hatte sie in letzter Zeit…«, hakte Körner nach.
»Nein!« Sabriski stützte sich auf den Tisch, beugte sich nach vorne und starrte Körner eindringlich an. »Hierbei handelt es sich definitiv um kein Sexualverbrechen! Es gibt weder eine vaginale noch eine anale Penetration.«
»Aber vielleicht gab es einen Mann in ihrer Vergangenheit. Möglicherweise hatte sie innerhalb der letzten vierundzwanzig Stunden Geschlechtsverkehr, dann hätten wir eine Samenprobe und …«
»Alex!«, unterbrach sie ihn. »Das Mädchen war noch Jungfrau!« Er schwieg.
Sabriski atmete tief durch. »Ich weiß, worauf du hinauswillst, aber deine Sex mit der Minderjährigen, und bring sie zum Schweigen-Theorie ist nicht zu halten. Kein Sex, keine Schwangerschaft, nichts dergleichen! Vergiss es! Hierbei handelt es sich um etwas anderes!« Sie hielt den Arm der Toten hoch. »Ich habe dir schon in der Diskothek erzählt, dass ihr eine starke Dosis Valium injiziert wurde. Aber wann? Das ist die Frage. Wenn man die Halbwertszeit im Blut betrachtet, war es ungefähr zehn Minuten vor acht. Valium wirkt verdammt schnell.«
»Also dauerte es noch fünfzehn Minuten bis zu ihrem Tod, während derer sie mit dem Mörder allein war«, folgerte Körner.
Beim Wort Mörder warfen sich Philipp und Sabriski einen viel sagenden Blick zu, als hätten sie ihm etwas zu verheimlichen, doch gingen sie nicht weiter darauf ein. Körner sprach weiter und tat so, als wäre es ihm nicht aufgefallen. »Was passierte in dieser Zeit? Hätte sie fliehen können?« Er musterte die beiden.
Sabriski lächelte milde. »Mit dieser Dosis hätte sie nicht einmal auf allen Vieren kriechen können.« Philipp nickte zustimmend. Auch diesmal schienen sich die beiden einig zu sein.
»Aber könnte sie nicht doch …«
»Alex!«, unterbrach sie ihn schroff. Sie nahm die Brille ab und kaute am Bügel. »Ich spreche von zwölf Milligramm Valium! Die Kleine war so voll gepumpt wie eine Apotheke auf zwei Beinen. Mit dieser Dosis hättest du den gesamten Ort einschläfern können. Sie hätte nicht einmal Schmerzen gespürt, wenn ihr ein Zahnarzt den blanken Nerv am Backenzahn angebohrt hätte.«
Körner versuchte, sich die Szene vorzustellen. Er versetzte sich in den dunklen Raum mit den speckigen Bodenbrettern, sah die Deckenbalken mit den Glühlampen vor sich, die Holzsäulen, die Balustrade, die Barhocker, den Tresen, und roch den Gestank von Eisen und Schwefel. Ihm fiel die merkwürdige Stahlkonstruktion ein. »Hat sie an dem Gerät gehangen?«
Sabriski legte vertrauensvoll die Hand auf die Schulter des Mädchens. »Wir haben keine Spuren von Eisen, Rost oder Lederpartikel am Körper der Kleinen gefunden, auch keine Schaboder Reibspuren der Seile. Sie wurde nicht an den Mechanismus gehängt. Sie hatte keine Blutreste oder Hautfragmente unter den Fingernägeln, was darauf hindeutet, dass es keinen Kampf gab. Aber …« Sie hob den Zeigefinger. »Sie wurde an den Armen gehalten. Und sie hat sich verdammt dagegen gewehrt, das kannst du mir glauben.«
Körner kniff die Augenbrauen zusammen. »Aber du sagtest doch, mit dieser Dosis hätte man …«
»Ich weiß, es klingt verrückt.« Sie seufzte. »Aber das Mädchen muss unsagbare Schmerzen erlitten haben, denn trotz zwölf Milligramm Valium musste sie wie ein Tier an den Handgelenken festgehalten werden - und sie hat wie eine Besessene gezerrt.«
»Möglicherweise wollte sie sich aus dem Griff befreien, bevor ihr das Valium injiziert wurde?«, gab Körner zu bedenken.
Philipp, der bisher reglos auf dem Hocker gesessen hatte, erhob sich kopfschüttelnd und griff nach dem Handgelenk des Mädchens. »Hier und hier: Schürfungen sowie Hämatome an beiden Handgelenken, und nicht etwa zum Zeitpunkt der Injektion, sondern unmittelbar vor ihrem Tod.«
»Sagtest du, Reibstellen an beiden Handgelenken?« Körner trat einen Schritt näher.
»Gut aufgepasst! Denn genau das ist der Punkt!« Philipp hob die Augenbraue, als habe er soeben den wichtigsten Aspekt des Mordes ans Tageslicht gebracht. »Ihr Blut klebt auf der Innenseite des Oberarms und unter den Achseln, folglich waren ihre Arme gestreckt, als sie ermordet wurde. Stimmst du mir zu?«
Körner nickte.
»Folglich gab es drei Täter.« Philipp hielt drei Finger hoch. »Zwei hielten sie links und rechts am jeweils ausgestreckten Arm, und der Dritte tötete sie mit Stichen in den Rücken.«
»Oh, nein, nein,
Weitere Kostenlose Bücher