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Der Judas-Schrein

Der Judas-Schrein

Titel: Der Judas-Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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geboren?«
    »Mathias am siebzehnten August und Carina am elften Oktober.« Als Berger begriff, wurde sie blass.
    »Die beiden starben exakt an ihrem vierzehnten Geburtstag, genau wie ihre jüngere Schwester Sabine.«
    »Allerdings nicht auf dieselbe grausame Art … trotzdem ein bemerkenswerter Zufall«, gab Berger zu bedenken.
    »Ich glaube nicht an Zufälle. Ich meine, wir sind soeben auf unsere erste konkrete Spur gestoßen.« Körner kaute an der Unterlippe. »Was wissen Sie über Sabines Eltern?«
    Berger wollte bereits zum Block greifen, hielt jedoch in der Bewegung inne. »Aus dem Bauch heraus, ich weiß«, beeilte sie sich zu sagen.
    Körner grinste. Die junge Dame lernte rasch. Er ließ sie in Ruhe überlegen, bis sie schließlich zu reden begann.
    »Bert Krajnik, groß und kräftig gebaut, mit einer blauen Metzgerschürze, und Marga Krajnik, die kleine, pummelige Hausfrau«, rief sie sich die Szene aus der Küche in Erinnerung. »Die beiden dürften wahre Arbeitstiere sein. Er hat einen Zwanzig-Stunden-Arbeitstag, sein Job in der Metzgerei beginnt um fünf Uhr morgens und dauert bis in die Nacht, auch am Wochenende. Montag ist sein freier Tag, an dem man ihn meist beim Kartenspiel in der Dorfschenke trifft, dem Braunen Fünfender. Viel Zeit für seine Tochter blieb ihm nicht. Offensichtlich dürfte das Verhältnis zu ihr distanziert gewesen sein, zumal sie ihn in ihrem Tagebuch mit keinem einzigen Wort erwähnt. Zur Mutter hatte sie ein besseres Verhältnis.«
    Sie legte den Kopf in den Nacken und dachte nach. »Marga Krajnik ist im Haushalt beschäftigt und hilft im Schlachthof ihres Mannes aus. Sie ist Mitglied im Greiner Kirchenchor und berüchtigt für ihre Torten, Kekse und Kardinalschnitten. Bei Jahrmärkten, Feuerwehrfesten oder dem Maibaumfest versorgt sie den Ort mit ihren Bäckereien. Der Erlös kommt der Feuerwehr zu Gute. Wenn man bedenkt, dass Grein ein winziger Ort ist, können die Bewohner mit Stolz auf das neue Feuerwehrhaus und die beiden Feuerwehrwagen blicken. Viele der Männer sind bei der Freiwilligen Feuerwehr, und zu Wettkämpfen rückt Grein mit einem beachtlichen Team aus. Bert Krajnik ist übrigens nicht dabei.«
    »Kennen Sie den Kommandanten?«
    »Ein gewisser Heck …«
    »Wolfgang Heck! Das hätte ich mir denken können.« Körner lächelte. Kein Wunder, dass die Truppe auf Vordermann getrimmt war, wenn Heck die Organisation leitete. Von seinem ehemaligen Schulfreund hätte er nichts anderes erwartet.
    »Die Ortsbewohner machen einen kompakten Eindruck«, fuhr Berger fort, »als handle es sich bei den Vereinen um alteingesessene, zusammengeschweißte Institutionen, aber die Krajniks spielen keine außergewöhnliche Rolle in dem Treiben. Allerdings wissen die Nachbarn nichts Schlechtes über sie zu berichten: Die Frau ist freundlich und hilfsbereit, der Mann jedoch ein vergrämter Einsiedler, den man außer Haus nur in der Dorfkneipe beim Kartenspielen antrifft. Die Krajniks haben weder Schulden noch Vorstrafen und sind im Grunde eine Vorzeigefamilie, obwohl ich nicht diesen Eindruck hatte, als wir mit ihnen in der Küche sprachen. Bei jener Erinnerung läuft mir ein Schauer über den Rücken …« Sie verstummte.
    »Familienverhältnisse?«, half Körner nach.
    »Bert Krajnik hat drei Brüder im Ort.« Für einen Moment schielte sie auf ihren Notizblock. »Marga Krajnik ist eine geborene Wegramer und hat vier Geschwister, der älteste Bruder ist bereits gestorben. Beide Familien sind jeweils eine alteingesessene Sippe im Ort, ein so genanntes Greiner Urgestein.« Da hellte sich Bergers Blick auf. »Außerdem sind sie tatsächlich miteinander verwandt.«
    »Das haben Sie geprüft?«, fragte er ungläubig.
    Sie nickte. »Die Gerüchte im Dorf stimmen. Sabine Krajniks Großmutter mütterlicherseits war eine Krajnik, die einen gewissen Alfred Wegramer heiratete. Bert und Marga Krajnik sind Cousin und Cousine.«
    »Oh, Gott!« Körner vergrub das Gesicht in den Händen. »Und ihre drei Kinder sind tot. Haben wir es hier mit einem Familienkrieg zu tun? Geht es um inzestuöse Verbindungen und Erbansprüche?«
    »Mich wundert es nicht, dass es in Grein zu Inzucht kommt«, sagte sie frei heraus, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, dass Körner aus diesem Ort stammte.
    Bei ihren Worten zuckte er zusammen.
    »Oh!« Sie hatte es bemerkt. »Ich meine, wir sprechen hier über eine Fünfhundert-Seelen-Gemeinde mit einem halben Dutzend Großfamilien«, rechtfertigte sie sich.
    Er versuchte zu

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