Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Judas-Schrein

Der Judas-Schrein

Titel: Der Judas-Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
Vom Netzwerk:
noch immer im Türrahmen stand. »Sollten wir nicht Martins Bruder holen?«
    »Noch nicht!« Körner ließ den Blick über die Bücherregale schweifen, die voll gepackt waren mit Atlanten, Enzyklopädien, Geschichts- und Computerhandbüchern und einer langen Reihe von Geo-Magazinen. Poster von Niels Bohr, Stephen W. Hawking und dem Observatorium auf dem Roque de Los Muchachos klebten an der Dachschräge. Ein in düsteren Farben gehaltenes Plakat zeigte eine Aufnahme des Andromedanebels, mit seinen Spiralarmen und der Überschrift: 31-12-1999, 23:59:59, it’s just another second. Comicalben stapelten sich auf dem Boden und Hefte, Schulbücher und einzelne Blätter lagen wahllos verstreut, als habe jemand das Zimmer durchwühlt. Doch wer sollte das gewesen sein? Heutzutage konnte man bei den Zimmern der Jugendlichen nicht mehr unterscheiden, ob eine Bombe eingeschlagen hatte oder ob es ihre Art war, den Krimskrams zu ordnen. Das Zimmer von Körners Tochter stellte keine Ausnahme dar. Da musste man zuerst tonnenweise Zeugs wegschieben, um überhaupt zur anderen Seite des Raums zu gelangen.
    Körner starrte auf das einzige Poster an der Wand, welches nicht zur übrigen Ausstattung des Raumes passte. Es zeigte einen Spruch in breiter Frakturschrift auf schwarzem Grund:
     
    go now my children
    there is work to be done
    the pigs must be slaughtered
    our ‘s begun
     
    Heiter Skelter
    Edge Of Sanity
     
    Wie sich die Zeiten doch änderten! Er kannte Heller Skelter noch von den Beatles, diese Version war ihm gänzlich unbekannt. Eigentlich hätte dieses Poster besser zu den Rockplakaten in Sabine Krajniks Zimmer gepasst. Hier wirkte es fremd.
    Er wandte sich zu Berger. Sie stand auf der Türschwelle und blickte zu Boden. »Kommen Sie!«
    »Ich kann da nicht rein.« Sie schüttelte den Kopf. »Hätten wir ihn gestern Nacht besucht, um ihn zu verhören, wäre er vielleicht noch am Leben.«
    »Kommen Sie, ziehen Sie sich die Schuhe aus und helfen Sie mir herauszufinden, was passiert ist.« Er reichte ihr die Hand und zog sie sanft in das Zimmer.
    Widerwillig folgte sie ihm. Erst als sie das Durcheinander auf dem Schreibtisch entdeckte, brach ihre innere Sperre. Mit einem Mal überflog sie neugierig die handschriftlichen Notizen und Post-ist, die am Computermonitor klebten. Sie wollte nach einem Zettel greifen.
    »Nichts anfassen!«
    Sie erstarrte in der Bewegung.
    Körner reichte ihr den Kugelschreiber, womit sie die Papiere auseinander schob.
    »Sieht aus wie ein Abschiedsbrief«, murmelte sie und las die Nachricht laut vor.
     
    »Sie hatte recht, die Eifersucht zerfrißt mich. Ich habe die Kontrolle verloren, und nun ist es passiert. Mir tut leid, was ich getan habe. Verzeiht mir, möge Sabine in Frieden ruhen. Martin.«
    Körner warf einen Blick auf den Text. »Alte Rechtschreibung. Ungewöhnlich für einen Jungen, der angeblich so erfolgreich in der Schule war … zumindest behauptet das meine Exfrau.« Er dachte an sein nächtliches Telefonat mit Maria, an ihre spontane Reaktion, als er sie über den Jungen aushorchen wollte. Warum fragst du, ist er auch tot? Nun war er es tatsächlich!
    »Ich würde mir nie das Leben nehmen«, murmelte Berger nachdenklich.
    Er betrachtete sie ernst. »Das war kein Selbstmord!« Mit einer wegwerfenden Geste deutete er auf den Brief. »Das geht mir zu glatt: Gestern ein Mord und schon heute ein geständiger Selbstmörder. Wie passend! In Wahrheit wird der Fall dadurch noch komplizierter.«
    »Was meinen Sie damit, es geht zu glatt?«
    Körner tippte bereits Rolf Philipps Nummer ins Handy. Der Spurensicherer meldete sich nach dem vierten Piepton mit verschlafener Stimme. Körner ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Schnapp dir dein Labor und nimm Basedov und Sabriski mit. Ich brauche rasch Antworten und ein paar gute Fotos. Es gibt Arbeit! Kommt so schnell wie möglich ans Ortsende von Grein, zum Haus von Martin Goisser. Gebt Koren Bescheid. Sie soll den Staatsanwalt informieren. Wir haben einen zweiten Mord: Diesmal durch Erhängen! Ich mache Schluss, mein Akku ist bald leer.« Das sollte genügen, Philipp würde sich um alles kümmern.
    »Hallo!«, dröhnte die Stimme von Martins älterem Bruder von unten durch das Treppenhaus. »Ich bin soweit.«
    »Eine Minute noch!«, rief Berger zurück. Sie starrte Körner an. »Sie glauben, der Tatort wurde inszeniert?«, flüsterte sie.
    »Die Spuren, die auf Selbstmord hindeuten sollen, sind fingiert. Zunächst einmal der Abschiedsbrief. Von meiner

Weitere Kostenlose Bücher