Der jüdische Krieg.
ist. Los. Prophezeien Sie einmal, ob ich Ihnen das Bürgerrecht geben werde oder nicht.« Josef zögerte nur ganz kurz, dann neigte er sich tief: »Ich wende nur Vernunft an, nicht Prophetengabe, wenn ich glaube, daß ein weiser und guter Herrscher keinen Anlaß hat, mir das Bürgerrecht zu verweigern.« – »Du drückst dich um die Antwort, du Aal von einem Juden«, beharrte der Kaiser. Josef sah, was er gesagt hatte, genügte nicht. Er mußte Besseres finden. Er suchte krampfig, fand. »Jetzt«, setzte er an, »da alle erkannt haben, wer der Retter ist, ist meine frühere Sendung erfüllt. Ich habe eine neue Aufgabe.« Der Kaiser sah hoch. Josef, ihn aus seinen heißen, dringlichen Augen anschauend, fuhr fort, kühn, mit jähem Entschluß: »Es ist mir auferlegt, nicht mehr die Zukunft, sondern das Vergangene für immer gegenwärtig zu machen.« Er schloß entschieden: »Ich will ein Buch schreiben über die Taten des Vespasian in Judäa.«
Vespasian richtete überrascht den harten, klaren Blick auf den Bittsteller. Rückte nah an ihn heran, blies ihm seinen Atem ins Gesicht. »Hm, das ist keine schlechte Idee, mein Junge. Ich habe mir meinen Homer freilich anders vorgestellt.« Josef, den Handrücken an der Stirn, sagte demütig, doch voll Zuversicht: »Es wird kein unwürdiges Buch sein.« Er sah, daß den Kaiser der Gedanke reizte. Ungestüm trieb er weiter. Riß sich die Brust auf, beschwor ihn: »Geben Sie mir das Bürgerrecht. Es wäre eine große, tiefe Gnade, für die ich der Majestät auf den Knien meines Herzens Danklieder singen wollte bis an mein Ende.« Und, sich ganz öffnend, mit einer wilden und demütigen Vertraulichkeit flehte er: »Ich muß diese Frau haben. Alles mißlingt mir, wenn ich sie nicht habe. Ich kann nicht ans Werk gehen. Ich kann nicht leben.«
Der Kaiser lachte. Nicht ohne Wohlwollen erwiderte er: »Sie gehen stürmisch vor, mein Jude. Sie betreiben Ihre Dinge intensiv, das habe ich schon gemerkt. Aufrührer, Soldat, Schreiber, Agitator, Priester, Büßer, Hurer, Prophet: was Sie machen, das machen Sie ganz. Sagen Sie übrigens, wie ist das? Schikken Sie wenigstens der Kleinen in Galiläa reichlich Geld? Daß Sie sich da nicht drücken, mein Jude. Ich will nicht, daß mein Sohn hungert.«
Josef verlor seine Demut. Herausfordernd und töricht erwiderte er: »Ich bin nicht geizig.« Vespasian machte die Augen eng. Josef fürchtete, im nächsten Augenblick werde er wüst losbrechen, aber er hielt ihm stand. Doch schon hatte sich der Kaiser wieder in der Gewalt. »Du bist nicht geizig, mein Junge ? Das ist ein Fehler«, tadelte er väterlich. »Ein Fehler, der sich sogleich rächen wird. Ich bin nämlich geizig. Ich hatte die Absicht, von dir für das Bürgerrecht hunderttausend Sesterzien zu verlangen. Jetzt zahlst du mir diese hunderttausend, und außerdem schickst du fünfzigtausend an die Kleine nach Cäsarea.« – »Soviel Geld kann ich nie auftreiben«, sagte Josef schlaff.
Vespasian kam auf ihn zu. »Sie wollten doch ein Buch schreiben. Ein vielversprechendes Buch. Verpfänden Sie das Buch«, riet er.
Josef stand mutlos. Vespasian gab ihm einen kleinen Klaps, schmunzelte: »Das Herz hoch, mein Jude. In sechs oder sieben Jahren lassen wir uns den Jungen aus Cäsarea nach Rom schicken und schauen ihn uns an. Wenn er mir ähnlich sieht, dann kriegst du deine fünfzigtausend zurück.«
Josef hatte sich um Geld nie große Sorgen gemacht. Seine Terrains in der Neustadt von Jerusalem hatten freilich die Makkabi-Leute konfisziert; aber wenn die Römer der Unruhen Herr geworden sind, wird man sie ihm zurückgeben. Vorläufig lebte er von dem Gehalt, das er als Dolmetsch und Beamter des Kaiserlichen Sekretariats bezog. Einen Teil dieses Gehalts ließ er Mara überweisen. Er konnte, da er fast immer Gast des Titus war, in Alexandrien auch ohne viel Geld weit und behaglich leben. Aber aus eigenen Mitteln die hundertfünfzigtausend Sesterzien aufzubringen, die der Kaiser von ihm verlangte, daran war nicht zu denken.
Er hätte vielleicht das Geld bei den großen Herren der jüdischen Gemeinde ausleihen können, aber er fürchtete das Gerede, die wüsten, pathetischen Beschimpfungen der Makkabi-Leute, den hurtigen, gemeinen Witz der Weißbeschuhten. Seine rasche Phantasie sah bereits an den Mauern der Häuser Zeichnungen, die ihn mit dem Mädchen Dorion auf schmutzige Art verknüpften. Nein, er mußte einen andern Weg suchen.
Nach einer Nacht voll bitterer
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