Der jüdische Krieg.
Kaiser ist. Vermutlich hat er wirklich den guten Willen, Jerusalem zu retten. Aber«, er winkte den Josef näher, er machte seine fettige Stimme ganz leise, schlau, geheimnisvoll, »ich will Ihnen einmal ganz im Vertrauen etwas sagen. Im Grund ist es gleichgültig, wer der Kaiser ist. Von zehn politischen Entscheidungen, die ein Mann treffen muß, sind ihm, er sei an welcher Stelle immer, neun durch die Umstände vorgeschrieben. Und je höher einer steht, um so beschränkter ist seine Entschlußfreiheit. Es ist eine Pyramide, der Kaiser ist die Spitze, und die ganze Pyramide dreht sich; aber es ist nicht er, der sie dreht, sie dreht sich von unten her. Es sieht aus, als handle der Kaiser freiwillig. Aber seine fünfzig Millionen Untertanen schreiben ihm seine Handlungen vor. Neun Handlungen von zehn müßte jeder andre Kaiser genau ebenso machen wie dieser Vespasian.«
Das hörte Josef nicht gern. Unwirsch fragte er: »Wollen Sie mir helfen, das Bürgerrecht zu erwirken?« Regin ließ ab von ihm, ein wenig enttäuscht. »Schade, daß Sie für ein ernsthaftes Männergespräch nicht zu haben sind«, meinte er. »Ich vermisse sehr Ihren Kollegen Justus von Tiberias.«
Im übrigen sagte er ihm zu, den Vespasian auf Josefs Angelegenheiten vorzubereiten.
Vespasian, nun seine Herrschaft gesichert schien und die Zeit seiner Abreise nach Italien näherrückte, sperrte sich gegen den Osten mehr und mehr zu. Er war ein großer, römischer Bauer, der von Rom aus römische Ordnung in die Welt bringen wird. Sein Boden hieß Italien, sein Gewissen Cänis. Er freute sich auf die Rückkehr. Er fühlte sich kräftig, stand gut auf seinen Beinen. Es ist von Rom nicht weit nach seinen satanischen Besitzungen. Bald wird er die gute satanische Erde riechen, seine Felder, seine Reben und Oliven beschauen.
Mehr als je sah jetzt der Kaiser auch in seinem Privatleben auf Ordnung. Pedantisch hielt er den festgesetzten Tagesplan ein. Jeden Montag, nach der Vorschrift des Arztes Hekatäus, fastete er. Dreimal in der Woche, Sonntag, Dienstag, Freitag, immer unmittelbar nach dem Essen, ließ er sich ein Mädchen kommen, jedesmal ein anderes. In den Stunden darauf pflegte er guter Laune zu sein. Die Dame Cänis verlangte für Audienzen, die sie auf diese Stunden legte, ansehnliche Provisionen.
Es war eine solche Stunde, und zwar an einem Freitag, zu der dem Josef durch Regin ein Empfang bei Vespasian erwirkt wurde. Dem Kaiser machte es Spaß, seinen Juden zu sehen; er liebte Züchtungsexperimente jeder Art. Er wird jetzt zum Beispiel versuchen, afrikanische Fasanen- und Flamingoarten, asiatische Zitronen- und Pflaumenspezialitäten auf seinen sabinischen Besitzungen fortzupflanzen. Warum soll er seinem Juden nicht das römische Bürgerrecht geben? Aber kräftig schwitzen soll der Junge darum. »Sie sind anspruchsvoll, Flavius Josephus«, tadelte er bedenklich. »Ihr Juden selber seid verdammt exklusiv. Wenn ich zum Beispiel die Absicht hätte, in euerm Tempel zu opfern, oder wenn ich nur hier in Alexandrien zur Vorlesung eurer Heiligen Schrift aufgerufen werden wollte, ihr würdet mir die größten Schwierigkeiten machen. Ich müßte mich zumindest beschneiden lassen und, Donner und Herakles!, was noch alles. Aber von mir verlangen Sie, daß ich Ihnen eins zwei drei das römische Bürgerrecht gebe. Glauben Sie, Ihre Verdienste um den Staat sind wirklich so groß?« – »Ich glaube«, erwiderte bescheiden Josef, »es ist ein Verdienst, als erster erklärt zu haben, daß Sie der Mann sind, dieses Reich zu retten.« – »Fuhrwerken Sie nicht etwas heftig herum, mein Jüdlein«, schmunzelte der Kaiser, »was Frauen anlangt? Was macht übrigens die Kleine? Ich habe ihren Namen vergessen.« Er suchte die aramäischen Worte zusammen: »Sei süß, meine Taube, sei zärtlich, mein Mädchen. Sie wissen schon. Hat sie ein Kind?« – »Ja«, sagte Josef. »Ist es ein Knabe?« – »Ja«, sagte Josef. »Vierzig Schläge«, schmunzelte der Kaiser. »Ihr Juden seid wirklich exklusiv. Ihr gebt es nicht billig.«
Er saß bequem, schaute sich seinen Juden an, der ehrfurchtsvoll vor ihm stand. »Sie haben eigentlich kein Recht«, sagte er, »sich auf Ihre frühere Leistung zu berufen. Man sagt mir, Sie huren weidlich herum. Folglich müssen Sie nach Ihrer eigenen Theorie Ihre ganze Begabung verloren haben.« Josef schwieg. »Wir wollen einmal sehen«, fuhr Vespasian fort und schnaufte vergnügt, »ob von Ihrer Prophetengabe noch was da
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