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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Gedanken nahm er es auf sich, zu Claudius Regin zu gehen. Der Verleger wiegte den Kopf. »Ich kann mir nicht denken«, bohrte er hartnäckig, »daß Ihr Herz noch an den Bestand des Tempels glaubt. Sonst würden Sie Ihren Priestergürtel nicht wegwerfen.« Josef erwiderte: »Mein Herz glaubt an den Bestand des Tempels, und mein Herz begehrt nach der Ägypterin.« – »Ich war sechsmal in Judäa«, sagte Regin. »Ich war sechsmal im Tempel, natürlich nur im Vorhof der Nichtjuden, und stand vor dem Tor, das Unbeschnittene nicht durchschreiten dürfen. Ich bin kein Jude, aber ich wäre gern ein siebentes Mal vor diesem Tor gestanden.« – »Sie werden dort stehen«, sagte Josef. »Ich vielleicht«, grinste fatal Regin. »Aber ob dann das Tor noch steht?« – »Wollen Sie mir die hundertfünfzigtausend Sesterzien geben?« fragte Josef. Regin schaute ihn mit seinem unangenehm verhängten Blick auf und ab. »Fahren Sie mit mir hinaus vor die Stadt«, schlug er vor. »Dort will ich es mir überlegen.«
      Die beiden Männer fuhren vor die Stadt. Regin entließ den Wagen, sie gingen zu Fuß weiter. Erst wußte Josef nicht, wo sie waren. Dann sah er ein Gehäuse aufragen, nicht groß, weiß, mit dreieckigem Giebel. Er war nie hier gewesen, aber er wußte von Bildern her, daß das das Grab des Propheten Jeremias war. Grell, kahl, beklemmend stand es auf dem öden Sandfeld in der weißen Sonne. Des Vormittags pflegten viele Wallfahrer das Grab des großen Mannes zu besuchen, der den Untergang des ersten Tempels geweissagt und so herzzerfressend beklagt hatte. Jetzt aber war es Nachmittag, und die beiden Männer waren allein. Gradewegs auf das Grabmal zu ging Regin, und Josef folgte ihm unbehaglich durch den Sand. Zwanzig Schritte vor dem Mal blieb Josef stehen; er durfte als Priester nicht weiter in die Nähe des Toten gehen. Regin aber ging weiter, und, angelangt, hockte er sich nieder auf die Erde, in der Stellung eines Trauernden. Josef stand seine zwanzig Schritte entfernt und wartete, was der andere tun oder sagen werde. Regin aber sagte nichts, er hockte da, der schwere Mann, in unbequemer Stellung, in Sand und weißem Staub, und er schaukelte ein wenig seinen feisten Oberkörper. Langsam begriff Josef, der Mann trauerte um Jerusalem und den Tempel. Wie der Prophet, der hier begraben lag, vor mehr als sechshundert Jahren, da der Tempel noch schimmerte und Judäa übermütig war, Unterwerfung gepredigt und jene Schriftrolle hatte verlesen lassen, voll der wildesten Trauer um die zerstörte Stadt, die doch noch in allem Glanze dastand, so hockte jetzt der große Finanzmann im Sand, ein Bündel Trauer und Nichts, in wortlosem Jammer um die Stadt und den Tempel. Die Sonne ging unter, es wurde empfindlich kalt, aber Regin blieb hocken. Josef stand und wartete. Er kniff die Lippen zusammen, er trat von einem Fuß auf den andern, er fror, er stand und wartete. Es war eine Frechheit von diesem Mann, daß er ihn zwang, mit anzusehen, wie er trauerte. Es sollte wohl eine Anklage sein. Josef lehnte sich auf gegen diese Anklage. Aber er stand hier um Geld, er durfte nicht reden. Allmählich kehrten sich seine Gedanken ab von dem Mann und dem Geld, und wider seinen Willen gingen durch sein Herz die Klagen, Beschwörungen, Verwünschungen des Propheten, der hier begraben lag, die wohlbekannten, immer wieder zitierten, die wildesten, peinvollsten, die jemals ein Mensch geklagt hatte. Der Frost wurde immer schärfer, seine Gedanken wurden immer bitterer, Frost und bittere Gedanken zerbrannten ihn und höhlten ihn ganz aus. Als endlich Regin sich erhob, war dem Josef, als müsse er seine Knochen einzeln weiterschleppen. Regin sagte noch immer nichts. Josef schlich hinter ihm her wie ein Hund, er war klein und verachtet vor dem andern und vor sich selber wie niemals in seinem Leben. Und als sie am Wagen angelangt waren und Regin ihn mit seiner gewöhnlichen, fettigen Stimme aufforderte, er solle mit in den Wagen steigen, lehnte er ab und ging allein die lange, staubige Straße zurück, bitter, peinvoll.
      Anderen Tages bat ihn Regin um seinen Besuch. Der Verleger war wie stets von einer etwas groben Umgänglichkeit. »Sie haben lange nichts mehr geschrieben«, sagte er. »Ich höre von dem Kaiser, Sie denken an ein Buch über den Krieg in Judäa. Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Flavius Josephus. Widmen Sie das Buch mir.«
      Josef sah hoch. Was Regin gesagt hatte, war die übliche Form eines Verlagsangebots, und so widerwärtig

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