Der jüdische Krieg.
mehr absurd. Schon hörte sie genau zu, wenn Josef die Einzelheiten erörterte, begann mit Josef um diese Einzelheiten zu feilschen.
Der Übertritt zum Judentum war nicht schwierig. Frauen waren zur Einhaltung der zahlreichen Gebote nicht verpflichtet, nur an die Verbote waren sie gebunden. Josef war bereit zu weiteren Zugeständnissen. Wollte sich mit der Versicherung begnügen, sie werde nicht die Sieben Gebote für Nichtjuden übertreten. Sie lachte, trotzte. Was, sie soll ihre Götter abschwören, Immutfru, ihren kleinen Katzengott? Josef redete ihr zu. Sagte sich, was man erweichen wolle, das müsse man zuerst richtig hart werden lassen, was man zusammendrücken wolle, das müsse man zuerst richtig sich ausdehnen lassen. Er hielt an sich, übte Geduld. Wurde nicht müde, immer die gleichen Gespräche zu führen.
Vor Titus aber ließ er sich gehen, klagte heftig über die Halsstarrigkeit des Mädchens. Titus war ihm gewogen. Er hatte auch keine Abneigung gegen jüdische Lehren und Bräuche; eine Gemeinschaft, die Frauen wie Berenike hervorbrachte, verlangte mit Recht Achtung. Aber daß jemand, durch Geburt einem andern Glauben verhaftet, die sichtbaren Götter seiner Ahnen abschwören und sich dem unsichtbaren Judengott zuneigen sollte, war das nicht etwas viel verlangt? Der Prinz kramte in seinen stenographischen Notizen, er hatte sich einige besonders abstruse Glaubenssätze und Lehrmeinungen der jüdischen Doktoren aufnotiert. Nein, sich zu solchem Aberglauben zu bekennen, das war dem Mädchen Dorion nicht zuzumuten. Sie lagen bei Tisch, zu dreien, Josef, der Prinz, das Mädchen Dorion, und diskutierten eifrig, ernsthaft, was man füglich von einem Proselyten fordern dürfe, was nicht. Der kleine Gott Immutfru lag auf Dorions Schulter, klappte seine leuchtenden Augen auf, zu, gähnte. Immutfru abschaffen, nein, auch Titus war der Meinung, das ginge zuweit. Nach vielem Hin und Her war Josef damit einverstanden, daß das Judentum des Mädchens Dorion sich auf eine formale Erklärung des Übertritts vor den zuständigen Gemeindebeamten beschränken solle.
Nun aber kamen die Gegenforderungen der Ägypterin. Sie lag da, lang, locker, zart bis zur Gebrechlichkeit; unter der stumpfen Nase sprang groß der Mund vor. Sie lächelte, sie strengte sich nicht an, ihre Stimme blieb dünn und höflich, aber sie ging von ihrer Forderung nicht ab. Sie dachte an ihren Vater, an seinen lebenslangen Kampf um gesellschaftliche Geltung, und sie verlangte kindlich, still, dünn und eigensinnig, Josef müsse sich das römische Bürgerrecht erwirken.
Josef, unterstützt von Titus, hielt ihr entgegen, ein wie schweres und langwieriges Unternehmen das sei. Sie zuckte die Achseln. »Es ist unmöglich«, rief er zuletzt, erbittert. Sie zuckte die Achseln, sie erblaßte, sehr langsam, wie das ihre Art war, zuerst um den Mund herum, dann ergriff die Blässe ihr ganzes Gesicht. Und sie beharrte: »Ich will die Frau eines römischen Bürgers sein.« Sie sah Josefs finstere Augen, und mit ihrer dünnen, hohen Stimme formulierte sie: »Ich bitte Sie, Doktor Josef, binnen zehn Tagen römischer Bürger zu sein. Dann bin ich bereit, vor Ihren Gemeindebeamten meinen Übertritt zu Ihrem Gott zu erklären. Wenn Sie aber nicht binnen zehn Tagen römischer Bürger sind, dann halte ich es für besser, wir sehen uns nicht mehr.« Josef sah ihre dünnen, braunen Hände, die die langen, rotbraunen Haare der Katze Immutfru kraulten, er sah ihre schräge Kinderstirn, ihr leichtes, reines Profil. Er war erbittert, und er begehrte sie sehr. Er wußte mit großer Gewißheit: ja, so wird es sein. Wenn er nicht in zehn Tagen das Bürgerrecht hat, dann wird er dieses gelbbraune Mädchen, das so gelassen mit gelockerten Gliedern daliegt, wirklich nie mehr zu Gesicht bekommen.
Titus griff ein. Er fand die Forderung Dorions hoch, aber war Josefs Forderung niedrig? Er wog sachlich Josefs Chancen ab, er betrachtete das Ganze sportlich, als eine Art Wette. Es war nicht ausgeschlossen, daß der Kaiser, der Josef wohlwollte, ihm das Bürgerrecht verlieh. Billig freilich wird die Sache nicht werden. Vermutlich wird die Dame Cänis die Gebühren festsetzen, und die Dame Cänis, das weiß jeder, gibt es nicht billig. Zehn Tage sind eine kurze Zeit. »Du mußt dich gut daranhalten, mein Jude«, sagte er, und: »Gürte dich! Das Blei aus den Schuhen!« spornte er ihn lächelnd mit dem Zuruf an die Läufer der sportlichen Spiele.
Das Mädchen
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