Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
Vom Netzwerk:
»Was ist das?« fragt der Prinz. »Es ist die Magrepha, die hunderttonige Schaufelpfeife«, erklärt Josef. »Man hört sie bis Jericho.« – »Euer Gott Jahve hat eine gewaltige Stimme«, anerkennt Titus.
      Dann, endlich, unterbricht er das lange, benommene Schweigen. »Was denken Sie, meine Herren?«, und seine Stimme klingt schmetternd, fast knarrend, ein Kommando mehr als eine Frage. »Wie lange werden wir brauchen? Ich schätze, wenn es gut geht, drei Wochen, wenn es schlecht geht, zwei

    Monate. Auf alle Fälle möchte ich zum Fest des Oktoberrosses in Rom zurück sein.«

    Es waren bisher drei Heerführer gewesen, die als Diktatoren Jerusalems einer den andern bekämpften. Simon Bar Giora beherrschte die Oberstadt, Johann von Gischala die Unterstadt und den äußeren südlichen Tempelbezirk, der Doktor Eleasar Ben Simon das Innere dieses Bezirks, das Tempelhaus und das Fort Antonia. Als nun an diesem Vortag zum Passahfest die Pilger in Scharen zum Tempel hinaufströmten, um Jahve ihr Lamm zu schlachten, wagte Eleasar nicht, ihnen den Eintritt in die inneren Höfe zu wehren. Johann von Gischala aber mischte unter die Pilger viele seiner Soldaten, und die, im Innern des Tempelbezirks, angesichts des riesigen Brandopferaltars, warfen ihre Pilgerkleider ab, standen in Waffen da, machten die Offiziere des Eleasar nieder, nahmen ihn selbst gefangen. Johann von Gischala, auf diese Art in den Besitz des gesamten Tempelbezirks gelangt, schlug dem Simon Bar Giora vor, fortan gemeinsam den Feind vor den Mauern zu bekämpfen, lud ihn ein, mit ihm in seinem Hauptquartier, dem Palais der Fürstin Grapte, das Passahlamm zu verzehren. Simon nahm an.
      Gegen Abend also stand Johann klein, schlau und vergnügt innerhalb der geöffneten Torflügel des Hauses der Fürstin Grapte und erwartete seinen früheren Feind und neuen Kampfgenossen. Simon, an den Wachen des Johann vorbei, die ihm die Ehrenbezeigung erwiesen, stieg die Stufen des Hauses herauf. Er und seine Begleiter waren gerüstet. Einen Augenblick verdroß das den Johann, er selber war waffenlos, aber sogleich wieder bezwang er sich. Ehrerbietig, wie es die Sitte wollte, ging er drei Schritte zurück, neigte sich tief und sagte: »Ich danke Ihnen herzlich, mein Simon, daß Sie gekommen sind.«
      Sie gingen in das Innere. Das Haus der Fürstin Grapte, einer transjordanischen Prinzessin, vormals mit allem Prunk ausgestattet, war jetzt verwahrlost, eine Kaserne. Simon Bar Giora, während er an der Seite des Johann durch die kahlen Räume klirrte, musterte seinen Begleiter aus seinen engen, braunen Augen. Dieser Mann Johann hat ihm alles Üble getan, er hat ihm die Frau wegfangen lassen, um Konzessionen aus ihm herauszupressen, sie haben gegeneinander gewütet wie wilde Tiere, er haßt ihn. Trotzdem spürt er Respekt vor der Schlauheit des andern. Vielleicht wird es Jahve diesem Johann nicht verzeihen, daß er vor seinem Altar, der aus unbehauenen Steinen gefügt war, weil Eisen ihn nicht berühren durfte, aus Pilgergewändern heimliche Schwerter hat ziehen lassen; aber kühn war es, listig, tapfer. Unwirsch, doch voll Achtung, ging er neben Johann her.
      Man briet die Lämmlein unmittelbar auf dem Feuer, wie das Gesetz es befahl, das ganze Tier, die Kniestücke und die inneren Teile legte man von außen auf. Sie sprachen die Gebete, die vorgeschriebenen Erzählungen über den Auszug aus Ägypten, sie aßen mit Appetit die Lämmlein, sie aßen ungesäuertes Brot dazu nach der Vorschrift und Bitterkraut nach der Vorschrift zur Erinnerung an die Bitterkeit im Lande Ägypten. Eigentlich waren die ganzen Plagen, mit denen Jahve Ägypten geschlagen hatte, ein bißchen lächerlich, verglich man. sie mit den Plagen, die über sie selber gekommen waren, und die Armee der Römer war bestimmt furchtbarer als die der Ägypter. Aber das machte nichts. Sie saßen jetzt zusammen in einem Raum, leidlich versöhnt. Auch der Wein war gut, es war Wein von Eschkol, er wärmte ihre verwilderten Herzen. Simon Bar Giora zwar saß ernst da, aber die andern wurden vergnügt.
      Nach dem Mahle rückten sie zusammen, tranken gemeinsam die letzten der vorgeschriebenen vier Becher Weines. Dann schickten die beiden Führer die Frauen und ihre Leute weg und blieben allein.
      »Wollen Sie einen Teil Ihrer Geschütze mir und meinen Leuten überlassen?« begann nach einer Weile Simon Bar Giora das ernsthafte Gespräch, mißtrauisch, fordernd mehr als bittend. Johann schaute ihn an. Sie

Weitere Kostenlose Bücher