Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
Vom Netzwerk:
das alles ist. Es ist ein Wahnsinn, wie sich diese Menschen bei ihren Wallfahrtsfesten in die Stadt pressen, eng aneinander wie gesalzene Fische. Er war lange Jahre Gouverneur in Jerusalem, er weiß Bescheid. Wie soll man die vielen Hunderttausende auf die Dauer verproviantieren? Glauben die Führer, diese Herren Simon Bar Giora und Johann von Gischala, ihn bald loszuwerden? Wollen sie mit ihren vierundzwanzigtausend Mann seine hunderttausend wegtreiben? Er denkt an seine Artillerie, an die Rammböcke der Zehnten Legion, an den »Harten Julius« vor allem, diese großartige, moderne Stoßmaschine. Der alte, erfahrene Soldat schaut mit fast mitleidigem Blick auf die Stadt.
      Sie schlagen sich noch immer herum, die Unbelehrbaren, innerhalb ihrer Mauern. Sie hassen einander mehr als die Römer. Sie haben in ihrem sinnlosen Bürgerkrieg ihre ungeheuern Getreidevorräte niedergebrannt, Johann hat gegen den Simon selbst in den Säulenhallen des Tempels Artillerie aufgestellt. Still, ein wenig müde, grüßend und vertraut gleitet der Blick des Marschalls das Geviert des Tempels entlang. Sein eigener Vater hat die Metallbeschläge der neun Innentore gestiftet, Gold, Silber, korinthisches Erz, ihr Wert betrug die Steuereingänge einer ganzen Provinz. Trotzdem hat eben dieser Vater, Großmeister der Juden von Alexandrien, es zugelassen, daß er, Tiber Alexander, noch als Knabe aus dem Judentum ausschied. Er ist seinem weisen Vater dankbar dafür. Es ist verbrecherische Torheit, sich aus dem ausgeglichenen, sinnvollen Bereich griechischer Kultur auszuschließen.
      Mit einem ganz kleinen, höhnischen Lächeln sieht er hinüber zu des Prinzen Sekretär und Dolmetsch, der benommenen Gesichts auf die Stadt hinunterschaut. Dieser Josephus will beides zugleich, Judentum und Griechentum. Das gibt es nicht, mein Lieber. Jerusalem und Rom, Jesaja und Epikur, das können Sie nicht haben. Wollen Sie sich gefälligst für das eine entscheiden oder für das andere.
      Der König Agrippa neben ihm hält das gewohnte höfliche Lächeln fest auf dem schönen, ein bißchen zu fetten Gesicht. Er wäre lieber als Wallfahrer hier denn an der Spitze von fünftausend Reitern. Er hat die Stadt vier Jahre nicht gesehen, seitdem ihn dieses törichte Volk nach seiner großen Friedensrede hinausjagte. Er schaut jetzt, der leidenschaftliche Bauherr, mit großer Liebe und tiefem Bedauern auf Jerusalem nieder, wie es weiß und geschäftig seine Hügel hinankriecht. Er selber hat hier viel gebaut. Als die achtzehntausend Tempelarbeiter durch die Fertigstellung des Baues brotlos wurden, hat er durch sie die ganze Stadt neu pflastern lassen. Jetzt haben die Makkabi-Leute einen Teil dieser Bauarbeiter zu Soldaten gepreßt. Einen von ihnen, einen gewissen Phanias, haben sie zum Hohn für die Aristokraten gar zum Erzpriester gemacht. Und wie sie seine Häuser zugerichtet haben, den Herodespalast, das alte Makkabäer-Palais. Es ist schwer, Herz und Antlitz bei solchem Anblick ruhig zu halten.
      Ringsum arbeiten die Soldaten. In das Schweigen der Herren, die reglos im leichten Wind auf der Höhe halten, klingen ihre Spaten und Äxte. Sie schlagen ihre Lager, sie ebnen das Terrain für die Zwecke der Belagerung ein, füllen auf, tragen ab. Die Umgebung Jerusalems ist ein einziger großer Garten. Sie schlagen die Ölbäume, die Obstbäume, die Weinreben. Sie reißen die Villen auf dem Ölberg nieder, die Magazine der Brüder Chanan. Sie machen das Land dem Erdboden gleich. Solo adaequare, dem Erdboden gleichmachen, das ist der technische Ausdruck. Das muß man zu Beginn einer Belagerung, es ist eine Elementarregel, jedem Lehrling der Kriegskunst wird sie als erstes eingetrichtert. Der jüdische König sitzt auf seinem Pferd, in guter und lässiger Haltung, sein Gesicht blickt ein wenig müde, still wie immer. Er ist jetzt zweiundvierzig Jahre alt. Er hat stets ja zur Welt gesagt, obgleich sie voll von Dummheit und Barbarei ist. Heute fällt es ihm schwer.
      Josef ist der einzige, der seine Miene nicht zähmen kann. So sah er einmal von Jotapat aus die Legionen ihren pressenden Ring schließen. Er weiß, Widerstand ist aussichtslos. Sein Hirn gehört denen, in deren Mitte er ist. Aber sein Herz ist bei den andern, es kostet ihn Anstrengung, das Geräusch der Äxte, Hämmer, Spaten zu ertragen, mit denen die Soldaten die strahlende Umgebung der Stadt verwüsten.
      Ein ungeheures Gedröhn brüllt aus dem Tempelbezirk auf. Die Pferde werden unruhig.

Weitere Kostenlose Bücher