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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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hatte, und er sah, daß dieser harte, gescheite und mächtige Herr nicht glücklich war. Nein, keiner wohl von all diesen Juden war glücklich, nicht der König und nicht Claudius Regin und nicht der Großmeister. Glücklich und einverstanden mit sich und ihrem Schicksal waren nur die Römer. Sie waren nicht tief, Weisheit und Schönheit waren für sie kein Problem. Ihr Weg war grad und einfach. Es war eine harte Straße und sehr lang, aber sie hatten feste Beine und mutige Herzen: Sie gingen ihre Straße zu Ende. Die Juden und Ägypter und Griechen hier in der Halle taten recht daran, sie als die Herren zu feiern.
      Er sah auch das Gesicht des Menschen, zu dem seine Toch ter gelaufen war, den Lumpen, den Hund, den Wegwurf, an den sie sich weggeworfen hatte. Aber siehe, es war keines Lumpen Gesicht, es war das Gesicht eines kämpfenden Mannes, der sich lange gestemmt hat gegen die Macht, der wissend geworden ist und sich fügt, der die Macht anerkennt, aber mit tausend listigen Vorbehalten, eines Kämpfers, der erkannt, aber sich nicht ergeben hat. Der Maler Fabull versteht nichts von Literatur, er will nichts davon wissen, er haßt sie, er ist voll von Erbitterung, daß Rom die Literaten gelten läßt, nicht aber die Künstler. Allein der Maler Fabull versteht etwas von Gesichtern. Er sieht Josef zuhören, während Titus spricht, und er weiß, dieser Mensch, der Beischläfer seiner Tochter, der Lump, der Hund, wird nun hingehen und wird Titus begleiten und wird zuschauen, wie seine Stadt untergeht, und wird es beschreiben. Er sieht das alles hinter dem Gesicht des Mannes. Und kurz nachdem Titus zu Ende ist, geht er hinüber zu Josef, ein bißchen zögernd, nicht so fest und gravitätisch wie sonst. Dorion sieht ihm entgegen, ängstlich, was nun geschehen wird. Aber es geschieht nichts. Der Maler Fabull sagt zu Josef, und seine Stimme ist nicht ganz so sicher wie sonst: »Ich wünsche Ihnen Glück, Flavius Josephus, zu dem Buch über den Krieg, das Sie schreiben sollen.«
      Anderen Tages in Nikopolis steigt Josef auf das lange Schiff, das ihn nilaufwärts tragen wird. Der Kai ist voll von Soldaten, Kisten, Koffern, Gepäck. Nur wenig Zivilisten sind zugelassen, denn der Abschied hatte auf Anordnung der Heeresleitung bereits in Alexandrien stattgefunden. Nur einer hat sich’s nicht nehmen lassen, den Josef bis Nikopolis zu begleiten: Claudius Regin. »Machen Sie Ihr Herz und Ihre Augen weit auf, junger Herr«, sagt er, als Josef aufs Schiff steigt, »damit Ihr Buch auch etwas wird. Hundertfünfzigtausend Sesterzien sind ein unerhörter Vorschuß.«
      Titus, unmittelbar bevor er das Schiff bestieg, gab Weisung, die feuertelegrafischen Posten, die Rom den Fall Jerusalems melden sollten und die Vespasian zurückgezogen hatte, von neuem zu beziehen.

    FÜNFTES BUCH

    Jerusalem

          om 1. Nissan an zeigten sich auf den Straßen Judäas die Pilger, die nach Jerusalem hinaufzogen, um das Oster
          lamm am Altar Jahves zu schlachten und das Abendmahl in der heiligen Stadt zu halten. Bürgerkrieg war, die Straßen waren voll von Räubern und Soldaten, aber die Unbegreiflichen ließen sich ihre Passah-Wallfahrt nicht nehmen. Sie kamen, alle Männlichen über dreizehn Jahre, einzeln und in großen Zügen. Die meisten kamen zu Fuß, beschuht, mit Wanderstab, den Wasserschlauch und den hörnernen Behälter für die Wegzehrung um die Schulter. Manche kamen auf Eseln, auf Pferden, auf Kamelen, reiche Leute zu Wagen oder in Sänften. Ganz Reiche brachten Frau und Kinder mit.
      Sie kamen von Babylon her auf der großen, breiten Königstraße. Sie kamen auf den vielen schlechten Feldwegen vom Süden her. Sie kamen auf den drei guten Heerstraßen der Römer. Knirschend passierten sie die Säulen des Gottes Merkur, die längs dieser Straßen errichtet waren, knirschend zahlten sie die hohen Weg- und Brückenzölle. Aber sogleich wieder hellten sie sich auf und zogen fröhlichen Gesichts weiter, wie das Gesetz es vorschrieb. Des Abends wuschen sie sich die Füße, salbten sich, sprachen den Segensspruch, freuten sich auf den Anblick des Tempels und der heiligen Stadt, auf den Genuß des Osterlammes, des fehllosen, männlichen, einjährigen.
      Hinter den Wallfahrern her aber kamen die Römer. Vier ganze kriegsstarke Legionen, dazu die Kontingente der Vasallen, insgesamt an hunderttausend Mann. Am 23. April, dem
    10. Nissan jüdischer Rechnung, brachen sie von Cäsarea auf, am 25. schlugen sie ihr Lager in

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