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Der jüdische Krieg.

Der jüdische Krieg.

Titel: Der jüdische Krieg. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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öffnete, und der gewaltige Laut der Schaufelpfeife, der Magrepha, der den Beginn des Tempeldienstes verkündete, und er überdeckte die Signale der Römer.
      Die Legionen schanzten, von den Mauern her wurden sie beschossen, sie erwiderten die Beschießung. Gleichmäßig, wenn die schweren Geschosse der Römer heransurrten, kam der aramäische Ruf der Wachen: »Geschoß kommt«, und lachend gingen die Soldaten in Deckung.
      Vom Turm Psephinus aus beschauten Simon und Johann den beginnenden Kampf. »Es wird ein guter Tag, mein Bruder Johann«, sagte Simon. »Es wird ein guter Tag, mein Bruder Simon«, sagte Johann.
      Die Geschosse der Römer kamen, weiß, surrend, von weit her sichtbar. »Geschoß kommt«, rief es, und die Soldaten lachten und warfen sich nieder. Aber dann kamen Geschosse, die waren nicht mehr sichtbar, die hatten die Römer gefärbt. Sie fegten eine Gruppe Verteidiger von den Mauern, und nun lachte niemand mehr.

    Am 11. Mai begab sich der Glasbläser Alexas aus seinem Wohn- und Geschäftshaus in der Salbenmachergasse zu seinem Vater Nachum in die Neustadt. Heute nacht hatten die Römer trotz allen Widerstands ihre Rammböcke an die Mauer herangebracht, durch die ganze Neustadt schütterten die dumpfen Stöße des »Harten Julius«, ihres größten Widders. Jetzt muß es Alexas glücken, seinen Vater zu überreden, sich, seine Leute und seine beste Habe aus der gefährdeten Neustadt zu ihm in die Oberstadt zu flüchten.
      Nachum Ben Nachum hockte vor seinem Laden im Innern, unter der großen Glastraube, auf Polstern, die Beine gekreuzt. Es waren Käufer da, man feilschte um ein vergoldetes Kunstwerk aus Glas, ein Goldenes Jerusalem, einen Kopfschmuck für Frauen. Abseits, von dem Gefeilsche ungestört, brummelte der Doktor Nittai, den Körper schaukelnd, den ewigen Singsang seiner Lehrsätze. Nachum Ben Nachum drängte die Käufer mit keinem Wort. Sie gingen schließlich, unentschlossen.
      Nachum wandte sich seinem Sohne zu: »Sie werden wiederkommen, das Geschäft wird werden. In längstens einer Woche wird der gesiegelte Kaufbrief im Archiv liegen.« Nachums viereckiger Bart war gepflegt, seine Wangen frischfarbig wie stets, seine Worte zuversichtlich. Aber Alexas merkte gut die versteckte Angst. Wenn der Vater auch tat, als gehe sein Tagewerk weiter wie immer, jetzt, beim Klang der Stöße des »Harten Julius«, mußte auch er erkennen, daß die ganze Neustadt, daß sein Haus und seine Fabrik gefährdet waren. In wenigen Wochen, wahrscheinlich schon in Tagen, werden da, wo sie jetzt sitzen und ruhevoll schwatzen, die Römer sein. Der Vater muß das einsehen und zu ihm hinaufziehen. Man braucht ja nur ein paar Schritte zu gehen, dort auf die Mauer, dann sieht man die Maschinen der Römer arbeiten.
      Nachum Ben Nachum unterdes setzte behaglich sein optimistisches Geschwätz fort. Wäre es nicht Torheit und Verbrechen gewesen, wenn er, dem Drängen des Sohnes nachgebend, vor dem Passahfest aus der Stadt geflüchtet wäre? Eine Saison wie diese war noch nie da. Ist es nicht ein Segen, daß die Pilger vorläufig nicht aus der Stadt herauskönnen? Es bleibt ihnen nichts übrig, als sich den ganzen Tag in den Läden und Basaren herumzutreiben. Ein Glück ist es, daß er sich nicht vom Gerede seines Sohnes hat irremachen lassen.
      Alexas ließ den Vater reden. Dann, still und beharrlich, bohrte er weiter: »Jetzt geben sie selbst im Fort Phasael zu, daß sie die äußere Mauer nicht halten können. In den Straßen der Schmiede und der Kleiderhändler sind schon eine ganze Menge Läden geschlossen. Alle sind sie in die Oberstadt hinaufgezogen. Nimm Vernunft an, laß den Ofen löschen, zieh zu mir hinauf.«
      Der Knabe Ephraim war zu ihnen getreten. Er eiferte los gegen den Bruder. »Wir halten die Neustadt«, glühte er. »Man müßte dich im Fort Phasael anzeigen. Du bist schlimmer als der Gelbgesichtige.« Der Gelbgesichtige war ein Prophet, der auch jetzt noch die Makkabi-Leute verhöhnte und Verhandlungen und Unterwerfung anriet. Alexas lächelte sein fatales Lächeln. »Ich wollte«, sagte er, »ich hätte die Kraft und das Wort des Gelbgesichtigen.«
      Nachum Ben Nachum streichelte seinem jüngsten Sohne kopfnickend das dichte, sehr schwarze Haar. Aber gleichzeitig in seinem Herzen erwog er die Reden seines Ältesten, des Siebenklugen. Die Stöße des »Harten Julius« kamen wirklich erschreckend gleichmäßig. Auch daß viele Einwohner der Neustadt sich in die sichere

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