Der jüdische Krieg.
versteckte und vergrub er.
Am 30. Mai erstürmten die Römer die zweite Mauer. Sie mußten diesen Sieg mit großen Verlusten an Menschen und Material bezahlen; denn Simon Bar Giora hatte die Mauer mit Zähigkeit und Geschick verteidigt. Eine ganze Woche lang hatten die Römer Tag und Nacht unter Waffen stehen müssen.
Titus gönnte den erschöpften Leuten eine Pause. Er setzte für diese Zeit die Soldzahlung an, dazu eine Parade und die feierliche Überreichung der Ehrenzeichen an die verdienten Offiziere und Mannschaften.
Seit seinem Abmarsch von Cäsarea hatte er sich den Anblick der Berenike versagt. Nicht einmal des Malers Fabull schönes Bild von ihr hatte er in seinem Zelt aufgestellt, weil er fürchtete, schon ihre Gegenwart im Bild könnte ihn von seinen soldatischen Aufgaben abziehen. Jetzt gönnte er auch sich Ablenkung und Erholung und bat durch einen Eilkurier um ihren Besuch.
Doch schon als er ihr entgegenritt, wußte er, daß er es falsch gemacht hatte. Nur fern von der Frau fühlte er sich klar, sicher, ein guter Soldat. Sowie sie da war, rannen ihm die Gedanken auseinander, Ihr Gesicht, ihr Geruch, ihr Schritt, die leichte Heiserkeit ihrer dunkeln Stimme brachten ihn um seinen Gleichmut.
Am Morgen des 3. Juni dann, die Prinzessin Berenike neben sich, nahm er die Parade ab. Außerhalb der Schußweite, doch in Sehweite der Belagerten, rückten die Truppen aus, Die Legionen zogen vorbei, in Reihen zu sechs Mann, in voller Rüstung, die Schwerter entblößt. Die Reiter führten ihre geschmückten Pferde am Zügel. Die Feldzeichen glänzten in der Sonne, weithin glitzerte es silbern und golden. Auf den Mauern Jerusalems wohnten die Belagerten dem Schauspiel bei. Die ganze nördliche Mauer, die Dächer der Tempelkolonnaden und des Tempelhauses waren besetzt mit Menschen, die in der prallen Sonne hockten und die Macht, die Zahl, den Glanz ihrer Feinde beschauten.
Nach dem Defilé verteilte Titus die Ehrenzeichen. Man war mit diesen Fähnchen, Lanzen, goldenen und silbernen Ketten sehr sparsam. Unter den hunderttausend Mann der Belagerungsarmee waren es noch keine hundert, die man damit bedachte. Einer vor allem fiel auf, ein Subalternoffizier, der Hauptmann Pedan, Zenturio des Ersten Manipels der Ersten Kohorte der Fünften Legion, ein vierschrötiger Mann von etwa fünfzig Jahren, mit einem nackten, roten Gesicht, blond, ein wenig angegraut. Beunruhigend über seiner frechen, weitnüstrigen Nase stand ein blinzelndes, blaues Auge und ein totes, künstliches. Der Hauptmann Pedan trug bereits die höchste Auszeichnung, die ein Soldat erringen konnte, den Kranz aus Gras, den nicht der Feldherr, sondern die Armee verlieh, und nur an solche Männer, deren Umsicht und Tapferkeit das ganze Heer aus der Gefahr gerettet hatte. Dem Hauptmann Pedan war der Kranz aus den Gräsern eines armenischen Hochplateaus geflochten worden, der Gegend, in der er unter dem Marschall Corbulo sein Armeekorps durch List und kaltes Blut aus der Umzingelung parthischer Übermacht herausgehauen hatte. Der Hauptmann Pedan mit seiner Frechheit, seiner Tollkühnheit, seiner gemeinen und gescheiten Zunge war der Liebling der Armee.
Die Ehrenkette, die Titus ihm jetzt überreichte, war keine große Sache. Der Erste Zenturio der Fünften Legion sprach beiläufig die vorgeschriebene Dankformel. Dann mit seiner quäkenden, weithin vernehmbaren Stimme fügte er hinzu: »Eine Frage, Feldherr. Haben Sie auch schon Läuse? Wenn wir hier nicht bald Schluß machen, dann kriegen Sie sie bestimmt. Wenn Sie dem Hauptmann Pedan einen Gefallen tun wollen, Feldherr, dann nehmen Sie Ihre Kette zurück und erlauben ihm, daß er als erster die Brandfackel wirft in das verfluchte Loch, in dem diese Mistjuden ihren Gott verstecken.« Der Prinz spürte, wie Berenike gespannt auf seine Erwiderung wartete. Etwas gezwungen sagte er: »Was wir mit dem Tempel anfangen, steht bei meinem Vater, dem Kaiser. Im übrigen wird sich niemand mehr freuen als ich, wenn ich Ihnen eine zweite Auszeichnung verleihen kann.« Er ärgerte sich, daß ihm nur eine so kümmerliche Antwort eingefallen war.
Auch Josef erhielt eine Auszeichnung, eine kleine Schildplatte, über dem Panzer auf der Brust zu tragen. »Nehmen Sie, Flavius Josephus«, sagte Titus, »den Dank des Feldherrn und der Armee.« Zwiespältigen Gefühls starrte Josef auf die große, silberne Plakette, die der Prinz ihm hinhielt. Sie stellte das Haupt der Meduse dar. Sicher glaubte
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